Terror: Israel macht Facebook zum Sündenbock

Zwei Soldaten inspizieren den Kofferraum eines schwarzen Autos auf einer Straße.
Geht es nach dem israelischen Minister für innere Sicherheit, Gilad Erdan, ist Facebook schuld an den „Einsamer-Wolf“-Terroristen.

Das 13-jährige israelische Mädchen Hallel schläft in ihrem Bett in der jüdischen Siedlung Kiryat Arba bei Hebron. Ein 17-jähriger Palästinenser schleicht sich in ihr Zimmer, tritt an ihr Bett und sticht auf das schlafende Kind ein. Sie stirbt. Er auch. Durch die Waffe eines Wachmanns. Es ist eine menschenverachtende Tat, die am letzten Juni-Tag 2016 stattfand. Aber leider kein Einzelfall. Alleine seit Oktober sind bei palästinensischen Anschlägen 34 Menschen gestorben. Viele davon durch so genannte „Lone-Wolf“ („Einsamer-Wolf“)-Terroristen. Sie planen und schlagen also alleine zu. Seit etwa zwei Jahren häufen sich Anschläge dieser Art in dem Konfliktgebiet. Hintermänner gibt es nur in den seltensten Fällen, einen Schuldigen – abgesehen vom Terroristen selber – zu finden, ist schwierig. Auf der anderen Seite haben in diesem Zeitraum israelische Beamte mindestens 201 Palästinenser getötet - 137 davon sollen laut der Regierung Angreifer gewesen sein, schreibt fortune.com.

Gilad Erdan, Minister für innere Sicherheit in Israel, hat ihn dennoch gefunden: Facebook, denn „das Blut von Hallel klebt an den Händen von Mark Zuckerberg“, wird Erdan von fortune.com zitiert. Nun sollen Gesetze her, die Facebook, Twitter und Co. zur Löschung von Inhalten zwingen, die vom Staat als Gefahr für die öffentliche Sicherheit eingestuft werden.

„Facebook-Intifada“

Es ist nicht das erste Mal, dass in Israel Facebook kritisiert wird. Es sei zu einer Plattform für Hass gegen Juden und Aufrufe zur Gewalt geworden, heißt es öfter von Seiten der Regierung. Es gibt auch Belege dafür. Neben Hassgesängen werden auch mit wenigen Klicks Anleitungen für Attentate gefunden. Weiters kündigen Attentäter oft über die Plattform ihre Taten an. Deshalb wird von vielen die aktuelle Gewalt gegenüber Israelis auch als „Facebook-Intifada“ bezeichnet.

Das gewünschte Gesetz

Dem will Gilad Erdan nun ein Ende setzen und fordert einerseits die Israelis auf, Zuckerberg mit „Forderungen zu überfluten, die Plattform, die er gegründet hat und mit der er Milliarden verdient, zu überwachen“, zitiert ihn sueddeutsche.de. Viel wichtiger ist dem Minister allerdings, dass nicht mehr Facebook-Moderatoren nach den Regeln der Plattform über die Zulässigkeit der Inhalte entscheiden. Erdan will mit dem Gesetz künftig die Löschung von Inhalten erzwingen, die dem Staat nicht passen beziehungsweise offiziell als „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ benannt werden.

Nicht in diese Argumentation passt dabei ein Bericht der Techseite tech.firstpost.com, die im Juni 2016 schrieb, dass bereits 70 Prozent von Pro-Palästinensischem Content auf Wunsch der Regierung gelöscht wird. In dem Artikel wird der israelische Justizminister Ayelet Shaked mit den Worten: "Wir haben unser Ziel erreicht, dass 70 Prozent von unseren Forderungen erfüllt werden" zitiert.

Facebook antisemitisch?

Es geht Erdan aber um mehr als „nur“ um die Kontrolle über die Löschung von Inhalten. Denn in Israel steht Facebook selbst unter Antisemitismus-Verdacht. Einen Grund dafür lieferte unter anderem die pro-israelische Organisation „Honest Reporting“, die Nachrichten und Posts über Israel sammelt. Auf ihrer Website finden sich zahlreiche Beispiele für antisemitische Propaganda. Bei einem Selbstversuch der Organisation, stellten sie laut dem Washington Examiner ein Foto von Ex-Premier Golda Meir und dem Zitat "Peace will come when the Arabs will love their children more than they hate us." online. Laut ihrer Aussage, wurde kurze Zeit später das Foto von Facebook gelöscht.

Macht man sich selbst ein Bild und sucht auf Facebook nach einschlägigen antisemitischen Seiten, wird man recht schnell fündig. „Death to Zionism“ existiert genauso wie „Death to Israel“ – es gibt aber auch „Death to Palestine“.

Der Washington Examiner fragte bei Facebook nach – und bekam prompt Antwort. Die Zeitung zitiert Sprecher Matt Seinfeld mit den Worten: „Wird mit der Sprache ein Land angegriffen, ist es laut unseren Verhaltensregeln kein Hatespeech“. Damit gibt es für Facebook auch keinen Grund, die entsprechenden Postings zu löschen.

Kritik am Vorgehen der Regierung

Werden die Pläne der Regierung von vielen Seiten unterstützt, gibt es auch genug Kritiker. Unter anderem Avi Issacharoff, Journalist bei der The Times of Israel. Isscharoff versucht es mit Sarkasmus und schreibt auf seinem Blog: „Gab es keine Intifadas vor den sozialen Netzwerken oder Facebook? Wurde der Terrorist, der Hallel Ariel tötete, von Facebook beeinflusst, oder wurde er, mehr als alles andere, von einer weiblichen Verwandten beeinflusst, die zwei Wochen zuvor einen Anschlag mit einem Auto in Hebron verübte? Er brauchte kein Facebook für die Inspiration. (…) Aber nichts ist einfacher, als der Öffentlichkeit Israels zu sagen: Lass uns Facebook ausschalten, damit die Araber es nicht mehr verwenden können. Problem gelöst.“

Einen treffenden Vergleich fand die frühere Arbeitspartei-Chefin Shelly Yachimovich: "Wenn man Facebook beschuldigt, an dem mörderischen Terror schuld zu sein, dann ist das so, wie wenn man der Erfindung des Schreibens die Schuld gibt, weil die Terroristen sich mit geschriebenen Nachrichten mitteilen."

Noch wurde das Gesetz in Israel nicht beschlossen, aber die Diskussion über Facebook, dessen Vor- und Nachteile, erneut angeheizt.

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