Nach Anschlag in Ankara: Türkei fliegt Angriffe im Nordirak

Spezialeinheiten stehen in der Nähe des Anschlagsortes in Ankara am Sonntag. 
Laut Innenministerium habe sich ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt, ein weiterer sei erschossen worden. Sonntagabend stellte sich heraus, dass die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK Drahtzieherin des Anschlags gewesen sein dürfte.

Bei einem Bombenanschlag in der türkischen Hauptstadt Ankara sind am Sonntag die beiden Angreifer ums Leben gekommen. Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach in Folge im Parlament von einem "letzten Zucken des Terrors".

Das Innenministerium berichtete von zwei "Terroristen", von denen sich einer vor einem Eingang zu dem Ministerium in die Luft gesprengt habe. Der zweite Beteiligte sei "neutralisiert" worden. Bei einem Schusswechsel seien zwei Polizisten leicht verletzt worden.

"Reaktion auf Vorgehen in Kurdengebieten"

Am frühen Abend stellte sich heraus, dass die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK Drahtzieherin des Anschlags gewesen sein dürfte. Die Aktion sei eine Reaktion auf das Vorgehen der Türkei in kurdischen Gebieten gewesen, zitierte die PKK-nahe Nachrichtenagentur ANF einen Bericht der HPG, dem militärischen Arm der PKK, am Sonntag. 

In dem seit Jahrzehnten andauernden Konflikt zwischen PKK und dem türkischen Staat sind bisher Tausende Menschen getötet worden.

Türei fliegt Angriffe im Nordirak

Wenige Stunden nach dem Bombenanschlag in Ankara hat das türkische Militär Luftangriffe im Nordirak geflogen. Dabei sei "eine große Zahl von Terroristen neutralisiert" worden, teilte das Verteidigungsministerium am Sonntagabend mit. Die Angriffe hätten der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und anderen "terroristischen Elementen" gegolten. Das Ministerium berief sich auf das Recht zur Selbstverteidigung. Die PKK hat ihr Hauptquartier in den nordirakischen Kandil-Bergen.

Regelmäßige türkische Militäreinsätze in der Südosttürkei und im Nordirak

Ankara geht in der Südosttürkei und im Nordirak regelmäßig mit Militäreinsätzen gegen die PKK vor. Diese wiederum verübt immer wieder Anschläge vor allem auf türkische Sicherheitskräfte. Es kommen aber auch Zivilisten dabei ums Leben.

Die Türkei wirft der PKK vor, mit Terror die nationale Sicherheit und Einheit zu gefährden. Die PKK argumentiert, sie kämpfe unter anderem für die "Rechte der Kurden" und gegen Unterdrückung. 2015 war ein Friedensprozess zwischen Türkei und PKK gescheitert.

"Terrorismusthema" gelöst

Die "Schurken" hätten ihre Ziele nicht erreicht und würden sie niemals erreichen, sagte der türkische Staatschef Erdogan am Sonntag der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge in Ankara.

Innerhalb der Türkei sei das "Terrorismusthema" weitgehend gelöst, betonte Erdogan, es gelte aber weiterhin, die Grenzregionen im Süden zu schützen. Dort grenzt das Land etwa an Syrien und den Irak.

Nachrichtensperre

Über den genauen Hergang des Anschlags am Sonntag berichteten türkische Medien, die zwei Angreifer seien gegen 9.30 Uhr Ortszeit (8.30 Uhr MESZ) mit einem Renault Kangoo vor das Innenministerium gefahren. Mit Gewehren bewaffnet hätten sie versucht, an Wachen vorbei in das Ministerium zu gelangen, seien damit aber gescheitert. Daraufhin habe sich einer der beiden in die Luft gesprengt. Der andere sei durch einen Kopfschuss getötet worden, sagte Innenminister Ali Yerlikaya.

Er rief die Menschen dazu auf, Bilder von dem Vorfall in den sozialen Netzwerken zu löschen. Es seien bereits Ermittlungen gegen Nutzer eingeleitet worden. Die Staatsanwaltschaft verhängte eine Nachrichtensperre, wie das Justizministerium bekannt gab. 

Heikle Abstimmungen

Der Anschlag ereignete sich an einem symbolisch wichtigen Tag: Das Parlament läutet die neue Legislaturperiode nach der Sommerpause ein. Der Anschlag fand Berichten zufolge in unmittelbarer Nähe zum Parlamentsgebäude statt.

Auf der Agenda - wenn auch ohne konkretes Datum - steht unter anderem die Abstimmung über den NATO-Beitritt Schwedens, den die Türkei seit Monaten blockiert. Ankara fordert von Schweden ein härteres Vorgehen gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK.

Auch über die Einsätze des türkischen Militärs im Irak und in Syrien soll nach Angaben des Staatssenders TRT zeitnah abgestimmt werden. Die Türkei geht im Nordirak und in Nordsyrien regelmäßig gegen die syrische Kurdenmiliz YPG und die PKK vor. Ankara sieht beide als Terrororganisationen an.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg schrieb über den Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter), die Allianz stehe im Kampf gegen den Terrorismus in Solidarität an der Seite der Türkei. Den verletzten Polizeibeamten wünsche er eine schnelle und vollständige Genesung.

Nehammer verurteilt Angriff

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) verurteilte den Angriff am Sonntag "auf das Schärfste": "Wir stehen der Türkei in diesen schweren Stunden bei. Den Verletzten wünsche ich eine rasche Genesung", so der Bundeskanzler auf X.

Auch das österreichische Außenministerium verurteilte den "abscheulichen Angriff" im Zentrum von Ankara am Sonntag und wünschte den Verletzten eine rasche Genesung. "Wir lehnen alle Formen des Terrorismus ab und sind solidarisch mit der Türkei", so das Ministerium in einer via X verbreiteten Stellungnahme.

 

 

Die Explosion ereignete sich übrigens fast ein Jahr nach einem Anschlag in einer belebten Fußgängerzone im Zentrum Istanbuls am 13. November 2022, bei der sechs Menschen getötet und 81 verletzt wurden.

Ankara ist in den vergangenen Jahren von Anschlägen verschont geblieben. Den zuvor letzten Angriff gab es 2015, als bei Bombenexplosionen am Hauptbahnhof mehr als 100 Menschen ums Leben kamen. Dafür soll die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) verantwortlich gewesen sein.

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