Spanien und Katalonien wollen "Entspannungspolitik"

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Erstmals seit über zwei Jahren besucht ein katalonischer Regionalpräsident die spanische Hauptstadt.

Am Montag haben sich Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez und der separatistische Regionalpräsident Kataloniens Quim Torra im Madrider Moncloa-Regierungspalast getroffen. Beide erklärten sich bereit, die durch den katalanischen Unabhängigkeitsprozess gestörten Beziehungen wieder zu "normalisieren" und erneut den "politischen Dialog" zu suchen.

Unter der konservativen Vorgängerregierung von Mariano Rajoy lag der Dialog zwischen Madrid und Barcelona praktisch auf Eis. Der letzte Besuch eines katalanischen Regionalpräsidenten in Madrid fand im April 2016 statt. Damals forderte der heute im Berliner "Exil" lebende Carles Puigdemont Rajoy auf, ein Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien zu genehmigen, bei dem etwas weniger als die Hälfte der 7,5 Millionen Katalanen sich für die Abspaltung der wirtschaftsstarken Region von Spanien ausspricht.

Rajoys harte und wenig dialogbereite Blockadepolitik gegen Kataloniens Separatisten endete am 1. Oktober 2017 in einem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum und der anschließenden Ausrufung der katalanischen Republik, welche zur Absetzung der Regionalregierung führte. Katalonien wurde unter Zwangsverwaltung gestellt, zahlreiche ehemalige Regierungspolitiker befinden sich seitdem unter dem Vorwurf der Rebellion in Untersuchungshaft.

Neuer Regierungschef will "Entspannungspolitik"

Spaniens neuer sozialistischer Regierungschef Sanchez, der Rajoy erst vor knapp einem Monat per Misstrauensvotum stürzte, bekräftigte, erneut den "politischen Dialog" suchen zu wollen. Als erste Geste seiner "Entspannungspolitik" ließ er die inhaftierten katalanischen Ex-Regierungspolitiker und separatistischen Aktivisten vergangene Woche von spanischen in katalanische Haftanstalten überführen. Zudem stellt Sanchez Quim Torra mehr Kompetenzen für die Regionalregierung, höhere staatlichen Investitionen in Katalonien sowie eine Verfassungsänderung in Aussicht, um Spanien in einen echten Föderalstaat zu verwandeln.

Sanchez steht allerdings einer schwachen Minderheitsregierung vor und es bleibt abzuwarten, ob er all diese Versprechen überhaupt umsetzen kann. "Zudem dürften sich Torra und die Separatisten schwer mit diesem Angebot zufriedengeben. Torra ist ein Hardliner unter den Separatisten", erklärt der katalanische Politologe Oriol Bartomeus im Gespräch mit der APA.

So forderte Torra am Montag auch die Freilassung der "politischen Gefangenen" und einen "offenen Dialog über das Selbstbestimmungsrecht der Katalanen". Torra sprach auch die schwierige und unhaltbare Situation der separatistischen Politiker an, die vor der spanischen Justiz ins Ausland geflohen sind. Darunter Ex-Regionalchef Carles Puigdemont, der in Deutschland auf die Entscheidung der Justiz über seine Auslieferung wartet.

Kein neues Referendum

Sanchez stellte hingegen klar, jenes Selbstbestimmungsrecht sei nicht in der spanischen Verfassung vorgesehen und lehnt wie sein konservativer Amtsvorgänger Rajoy einen von Torra angekündigten neuen Volksentscheid über eine Loslösung Kataloniens von Spanien strikt ab. Dennoch bewerten politische Beobachter dieses erste offizielle Arbeitstreffen von Sanchez und Torra als gute Ausgangslage, den festgefahrenen Konflikt langsam zu entspannen und einen Dialog zu beginnen.

Für Spaniens neuen Premier war es zudem eine Gelegenheit, den Oppositionsparteien der konservativen Volkspartei (PP) und der liberalen Ciudadanos (Bürger) zu widersprechen, die behaupten, Sanchez sei für den Machterhalt bereit, bei den Verhandlungen mit den Separatisten rote Linien zu überschreiten. Sanchez sozialistische Minderheitsregierung brauchte beim erfolgreichen Sturz der Konservativen durch das Misstrauensvotum auch die Stimmen der beiden katalanischen Separatistenparteien ERC und PDeCAT.

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