Referendum über Zugang zu Geheimdienst-Archiven
Nur zwei Wochen nach der Europawahl und fünf Wochen vor der vorgezogenen Parlamentswahl gehen die Bürger in Slowenien am kommenden Sonntag erneut zu den Urnen. Bei einem Referendum sollen sie über den Zugang zu den Geheimdienst-Archiven entscheiden. Erstmals werden verschärfte Referendums-Regeln in Form eines Quorums eingesetzt werden, was den Ausgang des Referendums ungewiss macht.
SDS hat Referendum erzwungen
Bei der Volksabstimmung geht es um eine im Jänner verabschiedete Gesetzesnovelle, die den Zugang zu den Archiven neu regelt. Die Demokratische Partei (SDS) des rechtskräftig wegen Korruption verurteilten Ex-Premiers Janez Jansa möchte mit dem Referendum, das sie mit mehr als 46.000 Wählerunterschriften erzwungen hat, die Novelle kippen. Das dürfte schwierig sein, denn das für die Ablehnung nötige Quorum von mindestens 20 Prozent sollte erwartungsgemäß schwer zu erreichen sein.
Die SDS behauptet, dass die Mitte-Links-Regierung damit den Zugang zu den Archiven aus der jugoslawischen Zeit, insbesondere zu jenen der Geheimpolizei UDBA, eingeschränkt habe. "Gegen die Schließung von Archiven, gegen die Negierung der Wahrheit", lautet ihr Slogan in der Referendumskampagne.
Die Partei, die sich für die Abrechnung mit der kommunistischen Vergangenheit einsetzt, sieht in der neuen Regelung einen Versuch der postkommunistischen Cliquen, das frühere Regime zu schützen. "Die Regierung hat die Gesetzesnovelle vorbereitet, um die Mitarbeiter der verbrecherischen UDBA und das gesamte verbrecherische kommunistische Regime zu schützen", schrieb die SDS auf ihrer Internetseite.
Regierung: Persönliche Daten werden anonymisiert
Die Regierung behauptet das Gegenteil, nämlich, dass es nun erstmals keine unzugänglichen Archive mehr gebe. Der Pool von Daten, die erforscht werden können, sei erweitert worden. Alle Archive würden frei zugänglich sein mit Ausnahme von sensiblen persönlichen Daten, diese werden anonymisiert.
Ausgerechnet die Anonymisierung betrachtet die SDS als problematisch. Die Partei behauptet, dass gerade dies die Archive indirekt verschließe. In ihren Bemühungen wird sie von dem mittlerweile auch in Österreich bekannten Archivforscher Roman Leljak unterstützt. Leljak hatte die Auftragsmorde der kommunistischen Geheimpolizei in den 1970er-Jahren in Österreich enthüllt. Er lancierte auch die Geheimdienstvorwürfe gegen den SPÖ-Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl, Eugen Freund.
Das Referendum am Sonntag ist bereits das zweite dieser Art: Schon 2011 stimmten die Slowenen gegen die Schließung der Archive. Auch damals hatte die SDS die Volksabstimmung erzwungen und ihren Willen durchgesetzt. Doch diesmal ist es fraglich, ob sie den Erfolg wiederholen kann.
Quorum macht Wahlausgang ungewiss
Bei der Abstimmung am Sonntag wird erstmals die im Vorjahr eingeführte neue Referendums-Regelung angewendet, bei der die Wahlbeteiligung für das Ergebnis ausschlaggebend ist. Das Gesetz kann nämlich nur dann abgelehnt werden, wenn mindestens ein Fünftel aller Wahlbeteiligten dagegen stimmen.
Um eine größere Beteiligung zu sichern, hatte sich die SDS bemüht, die Volksabstimmung gleichzeitig mit der EU-Wahl durchzuführen, doch dabei machte ihr die regierende Koalition ein Strich durch die Rechnung.
Um das Gesetz zu stürzen, müssten bei rund 1,7 Millionen wahlberechtigten Slowenen rund 342.000 dagegen stimmen. Unklar ist, ob die SDS so viele Wähler motivieren kann, zu den Urnen zu gehen und gegen die Gesetzesnovelle zu stimmen. Bei der vergangenen EU-Wahl zeichnete sich nämlich eine niedrige Wählerbeteiligung ab - nur 24,4 Prozent der Wahlberechtigten bzw. insgesamt 418.000 Wähler nahmen an der Wahl teil.
"Ungenügend informiert"
Umfragen deuten auf kein besonders großes Interesse an der Volksabstimmung hin. In einer Umfrage der Tageszeitung Delo vom Montag meinten 54 Prozent der Befragten, dass sie über das Thema ungenügend informiert seien, um darüber entscheiden zu können. Der gleiche Anteil will der Abstimmung überhaupt fernbleiben, 38 Prozent gaben an, teilnehmen zu wollen. Die Beteiligung dürfte tatsächlich laut Delo jedoch ähnlich wie bei der EU-Wahl geringer ausfallen.
Es wird erwartet, dass überwiegend die Unterstützer der SDS und der christdemokratischen NSi (Neues Slowenien) beim Referendum abstimmen werden, so die Zeitung. Daher dürfte das Referendum kaum als Stimmungstest vor der vorgezogenen Parlamentswahl dienen. Die erwartete niedrige Beteiligung dürfte außerdem demonstrieren, was die Wähler davon halten, binnen weniger Wochen gleich dreimal zu den Urnen gebeten zu werden.
Die vorgezogenen Parlamentswahlen in Slowenien sollen erstmals im Sommer stattfinden. Eine Bürgerinitiative, die den Wahltermin am 13. Juli mitten in der Urlaubszeit als verfassungswidrig kritisiert, möchte das verhindern und lässt den Termin vom Verfassungsgericht prüfen. Das letzte Wort darüber, wann in Slowenien ein neues Parlament gewählt wird, werden somit die Verfassungsrichter haben.
Eine Gruppe von Universitätsprofessoren, Journalisten, Vertreter von neuen und bestehenden außerparlamentarischen Parteien sowie anderen bekannten Persönlichkeiten reichte am Donnerstag beim Verfassungsgericht einen Antrag zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Wahltermins ein. Das ist bereits der zweite Antrag zum Thema Neuwahlen, mit dem sich die Verfassungsrichter befassen werden.
Kein Wahltermin in Urlaubszeit
Die Gegner des Juli-Termins behaupten, dass der Urnengang in der Urlaubszeit das Wahlrecht der Bürger einschränke. Mit dem Urnengang am 13. Juli werde den Wählern, die sich zu dieser Zeit auf Urlaub befinden, insbesondere jenen im Ausland, die Stimmabgabe unmöglich gemacht bzw. deutlich eingeschränkt, argumentiert die Bürgerinitiative laut Medienberichten. Die erwartete niedrige Wahlbeteiligung würde außerdem die Legitimität der künftigen Regierung infrage stellen.
Der Wahltermin stellt laut Initiatoren außerdem neue Parteien in eine schlechtere Position gegenüber den etablierten Parteien. Im Laufe des während der Urlaubszeit verlaufenden Wahlkampfs würden es Kleinparteien nämlich schwierig haben, sich den Wählern angemessen vorzustellen, hieß es.
Auch Referendum wurde verschoben
Die Bürgerinitiative, die sich für Wahlen im Herbst einsetzt, sieht Parallelen zu der jüngsten Entscheidung des Verfassungsgerichts. Dieses ordnete eine Verschiebung des bevorstehenden Referendums über die Geheimdienst-Archive an, da der ursprüngliche Termin in die Mai-Schulferien gefallen wäre, mit dem Argument das Wahlrecht der Bürger würde durch den Termin eingeschränkt.
Während man auf die Entscheidung der Verfassungsrichter wartet, verlieren die Parteien keine Zeit bei den Vorbereitungen auf die Wahl. Auch Kooperationsgespräche laufen auf Hochtouren. Die Sozialdemokraten (SD) und die Pensionistenpartei (DeSUS) gründeten am Donnerstag einen "sozialdemokratischen Block für alle Generationen". Bei der Wahl wollen sie zwar mit getrennten Wahllisten auftreten, später aber eine Koalition bilden.
Ein Wahlbündnis liberaler Parteien schmiedet die scheidende Regierungschefin Alenka Bratusek. Im rechten Lager scheint es dagegen wenig Kooperationsbereitschaft zu geben. Auch die Volkspartei (SLS) und Neues Slowenien (NSi), die bei der Europawahl eine gemeinsame Wahlliste hatten, wollen bei der Parlamentswahl aus Zeitnot getrennt antreten.
Kommentare