Schweden führt wieder Grenzkontrollen ein

Anders Ygeman
Schweden ist am Rande seiner Aufnahmefähigkeit und sieht die "öffentliche Ordnung" bedroht.

Schweden, das gemessen am Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl EU-weit derzeit die meisten Flüchtlinge aufnimmt, hatte am Mittwochabend erklärt, wegen der Flüchtlingskrise vorübergehend wieder Grenzkontrollen einzuführen. Die "Rekordzahl" eintreffender Flüchtlinge setze die Einwanderungsbehörde unter großen Druck und sei nach Einschätzung der Polizei eine "Gefahr für die öffentliche Ordnung", sagte Innenminister Anders Ygeman.

Von Donnerstagmittag an würden daher die Grenzen wieder kontrolliert. Betroffen sei vor allem die Zug- und Autotrassen auf der Öresundbrücke, die die dänische Hauptstadt Kopenhagen mit dem schwedischen Malmö verbindet, sowie die Fährverbindungen in Südschweden, hieß es.

War allerdings zuerst von rund zehn Tage die Rede, die die Grenzkontrollen dauern sollten, geht der Chef der Einwanderungsbehörde, Anders Danielsson davon aus, dass die Kontrollen länger dauern würden, die Maßnahme habe sonst keinen Sinn. Wenn sie effektiv sein sollten, müssten die Kontrollen über einen viel längeren Zeitraum hinweg durchgeführt werden, so Danielsson im schwedischen Fernsehen. Die geltenden Schengenregeln erlauben die Aussetzung der freien Grenzen aus besonderen Anlässen für bis zu 30 Tage.

Ministerpräsident verteidigt Pläne

Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven hat die Einführung von Grenzkontrollen verteidigt. "Das ist kein Zaun. Aber wir müssen wissen, wer zu uns kommt", sagte der schwedische Sozialdemokrat am Donnerstag in der maltesischen Hauptstadt Valletta am Rande des EU-Afrika-Migrationsgipfels.

"Wir müssen auch sichergehen, dass sich die Leute auf den Fähren ausweisen können", sagte er zu der Anweisung von Passkontrollen auch auf Fähren nach Schweden. Die EU-Partner hätten dafür Verständnis, zumal sich alle Maßnahmen in Rahmen der EU-Regeln bewegten. Es sei legitim, dass sich die Partner fragten, was dies für sie bedeute. "Wir sind alle in einer schwierigen Situation", sagte er mit Blick auf den weiter sehr hohen Flüchtlingszustrom in die EU.

Sowohl Danielsson als auch Löfven betonten, es gehe nicht darum, die Anzahl der aufzunehmenden Flüchtlinge zu begrenzen, sondern die derzeit durch die hohe Anzahl von neu ankommenden Menschen unübersichtliche Situation in Schweden in kontrollierte Bahnen zu lenken. In Stockholm befürchtet man eine Verschärfung des Gesellschaftsklimas.

Seit September sind 80.000 Asylbewerber nach Schweden eingereist. An den Grenzstationen herrschen zum Teil chaotische Zustände. Die Kontrollen sollen einen geordneteren Empfang ermöglichen. Schweden nimmt relativ gesehen von allen EU-Ländern die meisten Asylbewerber auf und hat zunehmend Schwierigkeiten mit der Unterbringung.

EU-Kommission nicht informiert

Die vorübergehende Einführung von Grenzkontrollen in Schweden war am Donnerstag auch Thema in Brüssel. Die EU-Kommission sei im Vorfeld nicht darüber informiert worden, sagte eine Sprecherin am Donnerstag. Die Kommission warte nun auf eine offizielle Benachrichtigung.

Die Sprecherin der Kommission stellte gegenüber Journalisten klar, dass die EU-Länder die Kommission informieren sollten, wenn derartige Entscheidungen - wie die Einführung von Grenzkontrollen - getroffen werden, nicht aber notwendigerweise davor.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe in der maltesischen Hauptstadt Valletta mit dem schwedischen Regierungschef Stefan Löfven gesprochen, hieß es in Brüssel.

Einschnitte bei den Hilfsgeldern

Europa ist das erklärte Ziel vieler Flüchtlinge, weshalb der Andrang der Schutzsuchenden die europäischen Länder auf eine harte logistische und finanzielle Probe stellt. UN-Generalsekretär Ban rügte nun aber indirekt die nordeuropäischen Länder für Kürzungen bei der Entwicklungshilfe, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen. Er nannte kein Land konkret - Finnland, Norwegen und Schweden planen derzeit aber entscheidende Einschnitte bei den Hilfsgeldern für arme Länder. Dänemark beschloss die Budget-Kürzungen bereits, die Niederlande erwägen Umverteilungen der Gelder.

"Die Ressourcen eines Bereichs sollten nicht auf Kosten eines anderen gehen", erklärte Ban. An der Entwicklungshilfe zu sparen sei "kontraproduktiv". Damit werde Millionen Menschen weltweit die Chance auf ein besseres Leben genommen.

Kommentare