Ein praktizierender, liberaler Muslim, der gleichgeschlechtliche Ehen befürwortet, gegen eine Angehörige einer Freikirche, die Abtreibungen und außereheliche Geburten ablehnt – so lautete das am Montag beendete Match um die schottische Regierungsspitze.
Bei einer Online-Abstimmung unter den 72.000 Mitgliedern der Schottischen Nationalpartei (SNP) setzte sich der 37-jährige Humza Yousaf knapp gegen die 32-jährige Kate Forbes durch. Der dritten Kandidatin, Ash Regan, 32, waren von Anfang an nur Außenseiterchancen gegeben worden.
Weg von London?
Yousaf, bisher Gesundheitsminister, übernimmt damit am Dienstag die Führung der SNP und das Amt des „First Minister“, des schottischen Premiers. Seine Vorgängerin Nicola Sturgeon, 52, hatte den nördlichsten Teil Großbritanniens mehr als acht Jahre geprägt und energisch, aber erfolglos für die Unabhängigkeit von London gekämpft.
Im Februar hatte die 52-Jährige überraschend ihren Rückzug angekündigt.
Die SNP regiert seit 2007 in Edinburgh, seit dem Verlust der absoluten Mehrheit 2021 in einer Koalition mit den Grünen. Sturgeon war zunächst Ministerin, bevor sie 2014 das Ruder übernahm und die SNP von einer konservativen zu einer sozialliberalen Partei machte.
Streit um Gender-Gesetz
Zuletzt kämpfte die Partei mit mehreren Problemen: Zu Mitgliederschwund und sinkender Popularität – teils bedingt durch die Probleme infolge des in Schottland unbeliebten Brexit – kam ein Skandal um Parteispenden.
Im Vorjahr eskalierte ein auch SNP-intern geführter Streit mit der konservativen Regierung in London über mehr Rechte für Trans-Menschen, für die Sturgeon geworben hatte. Die Folge war ein Gesetzesveto aus London, gegen das Yousaf vorgehen will.
Der Richtungsstreit in der SNP – liberal vs. konservativ – dominierte auch das Ringen um Sturgeons Nachfolge und dürfte mit Yousafs Wahl nicht beendet sein. Der in Glasgow geborene Sohn eines pakistanischen Vaters und einer südostasiatischen Mutter gilt als „Kandidat der Kontinuität“ und Protegé Sturgeons.
Sie hatte ihn ebenso unterstützt wie zahlreiche SNP-Abgeordnete.
Kritiker werfen Yousaf allerdings vor, als Minister versagt zu haben und machen ihn für das marode Gesundheitssystem mitverantwortlich.
Kein neues Referendum
Das bedeutendste Projekt der SNP, die Unabhängigkeit, wird vermutlich auch Yousaf nicht stemmen.
Im Vorjahr urteilte das oberste britische Gericht, dass Schottland nicht ohne Zustimmung Londons ein neues Referendum über eine Abspaltung abhalten dürfe. Im ersten Votum 2014 hatten sich 55 Prozent der Wähler für einen Verbleib im Vereinigten Königreich ausgesprochen.
Seit Jahren sind die Lager der Unabhängigkeitsbefürworter und -gegner annähernd gleich stark. Ein Referendum haben daher weder Yousaf noch seine Kontrahentinnen versprochen, auch wenn sie alle die Unabhängigkeit befürworten.
In Yousafs Wahlprogramm rangierte das Thema allerdings an letzter Stelle.
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