Scholz und Macron wollen sofortigen EU-Beitrittsstatus für Ukraine

French President Macron, German Chancellor Scholz, Italian PM Draghi and Romanian President Iohannis visit Kyiv
Olaf Scholz hat sich dafür stark gemacht, der Ukraine und ihrer Nachbarrepublik Moldau den Status von EU-Beitrittskandidaten zuzusprechen.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben sich erstmals dafür stark gemacht, dass die Ukraine ein Beitrittskandidat für die Europäischen Union wird. Scholz sagte am Donnerstag bei seinem lang erwarteten Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew: "Meine Kollegen und ich sind heute hier nach Kiew gekommen mit einer klaren Botschaft: Die Ukraine gehört zur europäischen Familie."

Macron ergänzte: "Auf jeden Fall unterstützen wir den Beitrittsstatus der Ukraine zur Europäischen Union." Neben Macron begleiteten auch Italiens Ministerpräsident Mario Draghi und der rumänischen Präsident Klaus Iohannis den Bundeskanzler bei diesem Solidaritätsbesuch.

Scholz machte keine konkreten Zusagen für weitere Waffenlieferungen. "Wir unterstützen die Ukraine auch mit der Lieferung von Waffen, und wir werden das weiterhin tun, solange die Ukraine unsere Unterstützung benötigt", sagte er.

French President Macron, German Chancellor Scholz, Italian PM Draghi and Romanian President Iohannis visit Kyiv

Anreise mit Zug

Am 113. Tag des Krieges begrüßte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj das klare Bekenntnis seiner Gäste: "Der EU-Kandidatenstatus könnte eine historische Entscheidung für Europa sein." Die Ukraine hatte kurz nach dem Angriff Russlands am 24. Februar einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt.

Scholz, Macron und Draghi waren gemeinsam über Nacht mit dem Zug angereist. Iohannis hatte eine andere Reiseroute gewählt. Selenskyj würdigte den Besuch von Scholz. Es würden Waffen geliefert, auch die gewünschten. "Hier hilft uns Deutschland sehr", sagte er. "Ja, ich bin überzeugt, dass das ganze deutsche Volk die Ukraine unterstützt."

Macrons klare Aussage zum EU-Kandidatenstatus ist umso bedeutender, da Frankreich derzeit die wechselnde EU-Präsidentschaft innehat. Draghi sagte bei der gemeinsamen Pressekonferenz: "Präsident Selenskyj hat verstanden, dass der Kandidatenstatus ein Weg ist und noch nicht das Ziel. Ein Weg, auf dem tiefgreifende Reformen notwendig sind in der ukrainischen Gesellschaft."

Es wird erwartet, das die EU-Kommission in Brüssel am Freitag den Vorschlag machen wird, der Ukraine eine klare Beitrittsperspektive zu geben. Die EU-Staats- und Regierungschefs werden dann schon in der kommenden Woche auf ihrem Gipfel (23./24.) darüber beraten.

Die Entscheidung, ob die Ukraine Beitrittskandidat wird, muss einstimmig getroffen werden. Beitrittsverhandlungen sind kompliziert und dauern in der Regel Jahre.

Auch Moldau möglicher EU-Beitrittskandidat

Scholz machte sich auch dafür stark, neben der Ukraine auch ihrer kleinen Nachbarrepublik Moldau den Status von EU-Beitrittskandidaten zuzusprechen. "Deutschland ist für eine positive Entscheidung zugunsten der Ukraine. Das gilt auch für die Republik Moldau", sagte er.

Kurz nach der Ankunft des Quartetts wurde in der ukrainischen Hauptstadt Luftalarm ausgelöst, der nach gut 30 Minuten wieder aufgehoben wurde. Auch am Nachmittag beim Treffen mit Selenskyj heulten die Sirenen.

Nach seiner Ankunft besuchte Scholz den teils zerstörten Kiewer Vorort Irpin. Ähnlich wie im benachbarten Butscha waren dort nach dem Rückzug der Russen Ende März knapp 300 teils hingerichtete Zivilisten gefunden worden. Scholz verurteilte die "Brutalität" des russischen Angriffskrieg und sprach von sinnloser Gewalt.

Draghi traut der Ukraine einen umfassenden Wiederaufbau zu. "Das hier ist ein Ort der Zerstörung, aber auch der Hoffnung", sagte Draghi in Irpin. Iohannis verlangte erneut, dass Gräueltaten Russlands vor ein internationales Strafgericht gebracht werden und warf Russland wegen der Blockade von ukrainischen Getreide-Exporten Erpressung vor. "Ich verurteile mit Nachdruck, dass Russland Getreide in eine Waffe verwandelt, mit derartig globalen Folgen", sagte Iohannis Rumänien bemühe sich, über den Schwarzmeer-Hafen Constanta sowie über den gemeinsamen Grenzstrom Donau eine effiziente Ausweichroute für die ukrainischen Exporte zu schaffen, sagte Iohannis.

UKRAINE-RUSSIA-CONFLICT-FRANCE-GERMANY-ITALY-DIPLOMACY

NATO-Generalsekretär Stoltenberg begrüßt Reise

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die lange erwartete Kiew-Reise von Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßt. "Das ist eine Botschaft der Solidarität", sagte Stoltenberg am Donnerstag in Brüssel zu dem Treffen von Scholz, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem italienischen Regierungschef Mario Draghi mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenksyj.

Deutschland, Frankreich und Italien "unterstützen die Ukraine schon seit langem im erheblichen Umfang", betonte Stoltenberg nach einem Verteidigungsministertreffen zur Vorbereitung des NATO-Gipfels in Madrid in zwei Wochen.

"Dies zeigt, wie die Europäische Union und die NATO zusammenarbeiten und wie die Verbündeten und NATO-Partner sich bemühen, die Ukraine zu unterstützen", fügte Stoltenberg hinzu. "Dieser Besuch ist Teil dieser Botschaft."

Frankreich liefert weitere schwere Geschütze

Frankreich will der Ukraine weitere Caesar-Haubitzen liefern. Das kündigte Präsident Emmanuel Macron am Donnerstag bei einem Besuch in Kiew an. Über zwölf bereits gelieferte schwere Geschütze hinaus solle die Ukraine von der kommenden Woche an sechs weitere Caesar-Haubitzen für den Kampf gegen den russischen Angriffskrieg erhalten.

Auf Wünsche des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach Waffen zur Verteidigung seines Landes habe Frankreich immer zeitnah reagiert, sagte Macron. Die auf Lastwagen montierten Caesar-Geschütze mit einem Kaliber von 155 Millimeter können Ziele in einer Entfernung von bis 40 Kilometern präzise treffen.

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