Schelling: Hellas-Banken müssen liquide bleiben
Im Schuldendrama um Griechenland geht Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling davon aus, dass die griechischen Banken am morgigen Montag öffnen. "Ich glaube sagen zu können, ja", sagte Schelling in der ORF-Pressestunde am Sonntag. Er sehe auch in den nächsten Tagen kein Problem, sagte er. Wichtig sei, dass die EZB die Banken weiter finanziere, solange diese nicht insolvent sind.
Die Banken müssten liquide bleiben. Schelling verwies darauf, dass die Hellas-Banken beim EZB-Stresstest gut abgeschnitten hätten. Dass so viele Bankkunden gleichzeitig ihr Geld abheben, würde niemand aushalten, so Schelling.
Zu Medienberichten, wonach Athen die Juni-Gehälter kürzen muss, sagte Schelling, er gehe davon aus, dass Griechenland allen Verpflichtungen nachkommen kann, bis es zu einer Lösung oder auch "Nicht-Lösung" kommt.
"Emotionale Ebene" erschwert Verhandlungen
Die Verhandlungen mit Athen seien so schwierig, weil es neben der inhaltlichen Diskussion um Reformen auch eine emotionale Ebene gebe. Griechenlands Finanzminister Yanis "Varoufakis macht in etwa immer dasselbe, er hält einen Vortrag wie vor seinen Studenten über seine Ansichten, will aber nicht über Zahlen, Daten und Fakten reden", schilderte Schelling. Man sei genervt, "weil wir ein Ergebnis wollen".
"Die Eurogruppe arbeitet nicht an einem Ausstieg", beteuert Schelling
Die Idee einer gemeinsamen Einlagensicherung, über die der "Spiegel" am Freitag berichtete, sei nicht neu, man diskutiere schon länger darüber. Schelling sagte, die EZB und die Institutionen wären auf ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone vorbereitet, auch wegen der Ansteckungsgefahr für andere Länder. Ein Grexit wäre ein "Rückschlag für den europäischen Gedanken", so Schelling.
Ein Grexit wäre "extrem schmerzhaft", Österreich könne dies aber verkraften. Die Republik haftet mit insgesamt rund acht Milliarden Euro für Griechenland, davon mit 1,6 Mrd. Euro direkt über bilaterale Kredite, die laut Schelling das österreichische Staatsbudget direkt belasten würden. Die Haftungen Österreichs für den Rettungsschirm EFSF in der Höhe von 4,3 Mrd. Euro sowie die EZB-Mittel über 2,2 Mrd. Euro würden beide nicht schlagend werden, so Schelling. Hier gebe es kein unmittelbares Risiko.
Schelling erklärte, auch er kenne den Letztstand der Verhandlungen nicht. Es gebe ein "Non-Paper" der Institutionen, deren Vorschläge liege den Finanzministern nicht vor, man kenne sie nur aus den Zeitungen.
Als sie darüber spricht, wird das Gesicht der 68-jährigen Anna Baltzopoulou mit einem Mal rot. Ihre Stimme beginnt zu zittern, sie kämpft mit den Tränen. Manchmal denke man sogar an Selbstmord, gibt sie zu. "Seit meiner Geburt ist das die schwierigste Zeit", sagt sie zum KURIER. "Sehr schlimm ist das, und es geht nicht nur uns so, sondern ganz Griechenland", meint die Frau. Früher war sie Beamtin in einem Ministerium. "Es stimmt nicht, dass wir Griechen nicht arbeiten und nur schlafen; wir haben ja unser Land nach zwei Weltkriegen wieder aufgebaut", sagt sie stolz.
Anna Baltzopoulou ist eine der etwa 2,7 Millionen griechischen Rentner, deren Einkommen schon wieder bedroht ist. Vier Runden von Pensionskürzungen haben sie seit der Einführung der Sparmaßnahmen 2010 erlebt. Jetzt verlangen die internationalen Gläubiger von der Regierung neue Schnitte. Eine der Hauptforderungen der vergangenen fünf Verhandlungsmonate, um Athen die restlichen 7,2 Milliarden Euro aus dem internationalen Hilfspaket auszubezahlen. Kommt dieses Geld nicht, ist Griechenland pleite. Gibt die Regierung aber den Forderungen nach, sei es vorbei mit den Pensionisten, meinen viele Griechen.
50 Prozent verloren
ENFIA wurde 2011 von der damaligen Regierung der sozialistischen Partei PASOK als eine zweijährige Maßnahme eingeführt, um die Staatskassa zu füllen, sie ist einfach geblieben. Die jetzige Regierung wollte die Steuer abschaffen. Die Gläubiger sind dagegen. Also muss Anna Baltzopoulou weiterhin von ihrer gekürzten Pension auch 3000 Euro pro Jahr für ihre ENFIA-Rechnung zur Seite legen. Sie muss auch ihrem jüngeren Sohn finanziell unter die Arme greifen. Mit 37 Jahren ist er trotz eines Magisterstudiums an einer technischen Universität ohne Job und hat auch kein Geld zum Heiraten – wieder ein typischer Fall für das krisengeplagte Griechenland.
Freilich könne man zum Arzt gehen, aber dann sagten die oft, sie hätten ihre monatliche Patientenquote aus der Krankenkasse bereits erschöpft. Ob das immer stimme, könne man nicht beweisen. Doch dann müsse man privat bezahlen.
Hilfe für die Kinder
Trotzdem zahlen die Pensionisten vier Prozent pro Monat für Krankenversicherung, erklärt Panagiotis Vavougios, Präsident der Pensionistenvereinigung der öffentlichen Angestellten. Früher war er Postamtsdirektor, aber mit 82 Jahren ist auch er seit Langem Pensionist. Vavougios hat ebenfalls 50 Prozent seiner Pension verloren und lebt jetzt von 1000 Euro monatlich. Vor Jahren ist er gereist – in Wien und Graz war er. "Jetzt ist es nicht leicht, meinen Kindern jeden Monat 300 Euro zu geben, um ihnen mit den Rechnungen zu helfen", sagt er. Sein Sohn ist auch arbeitslos. Zwei Enkeltöchter leben in Prag, weil sie dort Jobs finden konnten.
Dass viele Griechen ihre Kinder finanziell unterstützen, ist durch die Krise und 27 Prozent Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren zur Notwendigkeit geworden.
Es gehört aber auch zur südländischen Familienkultur, dem Nachwuchs zu helfen. Ältere Menschen kommen also sehr schwer damit klar, dass sie es nicht mehr tun können. Die Renten der öffentlichen Angestellten wurden zwischen 40 bis 60 Prozent gekürzt, im Durchschnitt bekomme man jetzt 674,77 Euro pro Monat.
"Man kann die Renten der Menschen hier nicht weiter kürzen, weil man davon nicht mehr leben kann", sagt Vavougios.
Vor dem Sondergipfel der Euro-Staaten zur Griechenland-Krise in Brüssel laufen die Gespräche hinter den Kulissen auf Hochtouren. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras telefonierte am Sonntag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten François Hollande sowie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Das teilte das Büro von Tsipras mit.
Unterschiedliche Angaben gab es zu den Inhalten der Telefonate. Ein griechischer Regierungssprecher sagte, Tsipras habe seinen Gesprächspartnern Vorschläge Athens zu den von den Gläubigern geforderten Sparmaßnahmen präsentiert. Nähere Details wurden jedoch nicht bekannt.
Ein EU-Mitarbeiter erklärte in Brüssel: "Die Arbeit an neuen Vorschlägen geht weiter. Zu diesem Zeitpunkt sind aber noch keine neuen Vorschläge vorgelegt worden." Es habe am Vormittag mehrere Telefonate gegeben.
"Ehrenvolle Einigung"
Athens Finanzminister Yanis Varoufakis nahm in einem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vor allem die deutsche Bundeskanzlerin in die Verantwortung: Merkel stehe am Montag vor einer entscheidenden Wahl. Sie könne in eine "ehrenvolle Einigung" eintreten oder die einzige griechische Regierung über Bord werfen, die prinzipientreu sei und die das griechische Volk mitnehmen könne auf einen Pfad der Reform.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz warnte wiederum die griechische Regierung: "Was nicht geht: aus dem Euro ausscheiden, seine Schulden nicht zurückzahlen, aber erwarten, dass die Mittel aus dem EU-Haushalt weiter fröhlich fließen."
Sparer heben Geld ab
Griechenland steht ohne baldige Einigung vor der Pleite. Der Druck auf die Politik steigt auch, weil immer mehr Griechen ihr Geld von den Banken abheben. Allein am Freitag sollen die Griechen 1,7 bis zwei Milliarden Euro von ihren Konten abgehoben haben. Damit seien seit Montag fünf Milliarden Euro aus dem Banksystem abgeflossen. Die Europäische Zentralbank (EZB) ist sich Insidern zufolge deshalb nicht mehr sicher, ob die Geldhäuser am Montag noch öffnen können.
Nur 450 Millionen
Für Alekos Flambouraris, enger Berater von Tsipras, geht es im Streit mit Athen letztlich nur noch um Maßnahmen für 450 Millionen Euro. Die Gläubiger machten zusätzlich Einsparungen in diesem Umfang zur Bedingung für die Auszahlung weiterer Hilfen. Flambouraris dämpfte aber die Aussicht für einen Erfolg des Griechenland-Sondergipfels. Die Gläubiger seien nicht bereit, Athen wie gefordert eine Reduzierung des Schuldenberges zuzusichern.
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