Diplomatische Wende: Die Taliban sind plötzlich wieder gefragt

Seit 2021 sind die Taliban in Afghanistan wieder an der Macht.
Der afghanische Außenminister Amir Chan Muttaki spricht von einem „historischen Schritt“: Russland hat am Donnerstag als erstes Land weltweit die Taliban-Regierung in Afghanistan offiziell anerkannt. Das russische Außenministerium teilte mit, Moskau habe die Akkreditierungsurkunde eines neuen afghanischen Botschafters angenommen. Die Aussichten für die bilateralen Beziehungen seien positiv.
Für die Taliban ist das ein bedeutender Etappensieg. Seit ihrer erneuten Machtübernahme im Jahr 2021 war das radikal-islamistische Regime international weitgehend isoliert. Anhaltende Menschenrechtsverletzungen haben Afghanistan nach dem Abzug der US-Truppen zu einem Paria-Staat gemacht.
Frauenrechte weitgehend eingeschränkt
Besonders afghanische Frauen und Mädchen sind in ihren Rechten stark eingeschränkt. Sie haben kaum Zugang zu Bildung, Arbeitsmarkt oder medizinischer Versorgung. Vom öffentlichen Leben sind sie weitgehend ausgeschlossen. Auch Meinungsfreiheit existiert in dem Land, das zu den ärmsten der Welt zählt, de facto nicht. Kritiker werden gefoltert, öffentlich auspeitscht oder hingerichtet.
Dennoch scheint es den Taliban nun zu gelingen, auf dem internationalen Parkett allmählich wieder Fuß zu fassen. So haben China, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Usbekistan und Pakistan inzwischen Botschafter nach Kabul entsandt. Eine Anerkennung der Regierung in Kabul könnte folgen.
China, das den Schritt Russlands am Freitag ausdrücklich lobte, kündigte zuletzt zudem verstärkte Investitionen in dem Land an. Der sogenannte Chinesisch-Pakistanische Wirtschaftskorridor (CPEC), eines der wichtigsten Entwicklungsprogramme von Chinas neuer Seidenstraße, soll bis Afghanistan ausgeweitet werden. Auch Indien streckt die Fühler aus: Das Land vergibt wieder Visa an afghanische Staatsbürger.

Der neu ernannte Taliban-Gesandte Afghanistans in Moskau, Gul Hassan (li.), und der stellvertretende russische Außenminister Andrei Rudenko.
Terrorbekämpfung
Moskau will vor allem die Zusammenarbeit mit Kabul in den Bereichen Sicherheit, Landwirtschaft, Energie und Drogenkriminalität intensiveren, hieß es am Donnerstag. Aufgrund seiner Lage könnte Afghanistan künftig als Transitknotenpunkt für Gaslieferungen nach Südostasien dienen. Bereits seit 2022 importiert das Land Erdgas, Öl und Weizen aus Russland.
Auch im Kampf gegen den Terrorismus sieht Moskau in Kabul einen wichtigen Partner. Bereits im Vorjahr bezeichnete Russlands Präsident Wladimir Putin Afghanistan als „wichtigen Verbündeten“, insbesondere im Vorgehen gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ (ISPK), einem erklärten Feind Moskaus. Im April strich das oberste Gericht Russlands dann nach mehr als 20 Jahren die Taliban von der Liste terroristischer Organisationen.
In Europa prescht indes Deutschland vor. Innenminister Alexander Dobrindt strebt direkte Gespräche mit der militant-islamistischen Gruppe an, um Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan zu erleichtern. "Nach wie vor braucht es Dritte, um Gespräche mit Afghanistan zu führen. Eine Dauerlösung darf das so nicht bleiben“, so der CSU-Politiker gegenüber Focus.
Die Vereinten Nationen kritisieren die Pläne prompt: „Es ist nicht angemessen, Menschen nach Afghanistan zurückzuschicken“, heißt es aus dem Büro von Menschenrechtskommissar Volker Türk.
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