Putins schwarze Liste: Brüssel fordert Aufklärung

89 EU-Spitzenpolitiker wurden vom Kreml mit einem Einreiseverbot belegt. Die EU spricht von "Willkür".

Die russische Regierung hat 89 europäische Politiker und Beamte wie berichtet mit einem Einreiseverbot belegt. Die deutsche Bundesregierung fordert von Russland nun Aufklärung: Man stehe mit Moskau in Kontakt und dränge auf Transparenz, hieß es am Samstag aus dem Auswärtigen Amt. Personen, die auf sogenannten Visa-Sperrlisten stünden, müssten das sofort erfahren. Sie hätten ein Anrecht darauf, über die genauen Gründe informiert zu werden, um dagegen Rechtsmittel einlegen zu können.

Als willkürlich, intransparent und ungerechtfertigt verurteilte auch die EU die russische Liste. Moskau habe das Dokument mit 89 Namen nach monatelangem Nachfragen zwar nun übermittelt, aber die Rechtsgrundlage, die Kriterien und die Entscheidungsprozesse dahinter blieben unklar, sagte ein Sprecher der Europäischen Union.

Martin Schulz gestikuliert während einer Rede vor einem blauen Hintergrund.
"Es ist inakzeptabel, dass dadurch das gegenseitige Vertrauen verringert und jegliche Anstrengungen behindert werden, einen konstruktiven Dialog für eine friedliche und anhaltende Lösung der gegenwärtigen geopolitischen Krise zu finden", sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Er forderte die russischen Behörden auf, ihre Entscheidungen gemäß internationaler Richtlinien transparent zu machen, sodass die Betroffenen das Recht zur Verteidigung sowie zum Einspruch hätten. Am Montag werde er das Gespräch mit dem russischen Botschafter suchen und sich gegebenenfalls Maßnahmen vorbehalten.

Moskau: Antwort auf "Sanktionskampagne"

Russland wies die westliche Kritik Samstagabend zurück. Die Maßnahme sei einzig eine Antwort auf die "Sanktionskampagne", die einige EU-Staaten unter Führung Deutschlands gegen Russland ausgelöst hätten, sagte ein ranghoher russischer Diplomat. Die Führung in Moskau sei über diplomatische Kanäle gebeten worden, die Listen zu übergeben. Dies habe Russland "in vertraulicher Form" getan. Dass die Veröffentlichung für Aufregung sorge, gehe auf das Konto der entsprechenden Länder, sagte der Diplomat. "Eins ist unklar: Haben die europäischen Kollegen die Listen benötigt, um den Betroffenen Unannehmlichkeiten zu ersparen - oder um die nächste politische Show zu veranstalten?"

"Falls Russland vorhatte, Druck auf die EU auszuüben, um die Sanktionen zu lockern, dann war dies der falsche Weg."

Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini bemängelte, dass es außer den von der russischen Regierung übergebenen Namen keinerlei Informationen über die rechtliche Basis, die Kriterien oder den Prozess der Auswahl gebe. Die russische Regierung hat offenbar vor allem Politiker aus jenen EU-Staaten mit einem Einreisebann belegt, die für die Beibehaltung der EU-Sanktionen gegen Russland im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise sind. "Falls Russland vorhatte, Druck auf die EU auszuüben, um die Sanktionen zu lockern, dann war dies der falsche Weg", sagte eine Sprecherin des britischen Außenministeriums.

Seitens der Grünen hieß es in einer Aussendung der Vizepräsidentin im Europaparlament und österreichischen Delegationsleiterin Ulrike Lunacek: "Die EU und EU-Mitgliedsstaaten haben aber keinen Völkerrechtsbruch begangen und fremdes Staatsgebiet annektiert." Offenbar empfinde Russlands Präsident Putin "ehrliche Kritik an seinem autoritären Kurs von seinen europäischen PartnerInnen als Bedrohung seiner Macht und als Ehrenbeleidigung."

Nahaufnahme eines Mannes mit Brille und blonden Haaren.
Der Grünen-Europapolitiker und Publizist Daniel Cohn-Bendit, aufgenommen am 20.04.2013 im Neuen Schloss in Stuttgart (Baden-Württemberg) vor der Verleihung des Theodor-Heuss-Preises. Die Theodor-Heuss-Stiftung zeichnete den umstrittenen Grünen-Europa-Politiker Daniel Cohn-Bendit für seine Verdienste um die Demokratie aus. Foto: Marijan Murat/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Auf der Liste, die der finnische Rundfunk mittlerweile auf seiner Internetseite veröffentlichte, finden sich 89 Personen, darunter acht Deutsche. Betroffen sind unter anderem der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann, den Moskau kürzlich bei der Einreise abwies, der Unionsfraktionsvize im Bundestag, Michael Fuchs, sowie die Grünen-Europapolitiker Rebecca Harmsund Daniel Cohn-Bendit. Auch der künftige europapolitische Berater der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Uwe Corsepius, findet sich auf der Liste.

Prominente Betroffene

Unter den 89 Namen sind auch der bisherige britische Vize-Premierminister Nick Clegg, der estnische JustizministerUrmas Reinsaluund der stellvertretende polnische Verteidigungsminister Robert Kupiecki. Überraschenderweise ist auch die Chefin der schwedischen Steuerbehörde, Eva Lidström Adler, mit einem unbefristeten Einreiseverbot nach Russland belegt worden. Weitere prominente Namen auf der Liste sind der Vorsitzende der liberalen Fraktion (ALDE) im Europaparlament, Guy Verhofstadt, sowie der frühere EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle( Tschechien) sowie Tschechiens Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg. Österreicher sind nach bisherigen Informationen nicht betroffen.

Verhofstadt teilte auf Twitter mit: "Putin hat Russland in einen totalitären Staat mit keinem Respekt für Demokratie, Freiheit und keinem Platz für politische Opposition verwandelt." Cohn-Bendit sagte der "Bild", es ehre ihn, wenn Russland ihn als Feind des Totalitarismus brandmarke.

Mit der Liste reagiert die russische Regierung auf die Strafmaßnahmen einschließlich Reiseverboten für russische Politiker, welche die Europäische Union im Zuge des Konflikts um die Annexion der Krim von der Ukraine und der Kämpfe in der Ostukraine verhängt hat.

Die deutsche Regierung hat die Zurückweisung deutscher Politiker an der russischen Grenze als völlig inakzeptabel kritisiert. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte bei einem Besuch in der ukrainischen Stadt Dnipropetrowsk am Samstag: „Ich halte es nicht für besonders klug, solche Einreiseverbote überhaupt auszusprechen.“ Dies sei auch kein geeigneter Beitrag zu den Bemühungen, „einen hartnäckigen gefährlichen Konflikt in der Mitte Europas zu entschärfen“.

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