Putin will Wahl der Ukrainer "akzeptieren"

Putin spricht auch von "echtem Bürgerkrieg". Laut Kiew wird die Bevölkerung von Separatisten eingeschüchtert.

Bisher präsentierte sich Russlands Präsident Putin stets als Gegner der ukrainischen Präsidentenwahlen am Sonntag. Nun kündigte er an, diese "respektieren" zu wollen. "Wir verhalten uns mit Respekt zur Wahl des ukrainischen Volkes", sagte er am Freitag, sprach aber nicht von Anerkennung. Offen blieb auch, wen er als "ukrainisches Volk" sieht – haben sich die östlichen Regionen Donezk und Lugansk doch per Referendum von Kiew losgesagt.

Die ukrainische Regierung hat bereits eingeräumt, dass ein geregelter Urnengang in der Ostukraine kaum möglich sein wird. Große Gebiete sind in der Hand pro-russischer Separatisten, laut Kiew wird die Bevölkerung eingeschüchtert und die Wahl vermutlich mithilfe Russlands sabotiert. Am Freitag sollen mehrere Mitglieder der Wahlkommission entführt worden sein.

Für Putin herrscht ein "eindeutiger Bürgerkrieg" in der Ukraine. Und er brüstet sich: Hätte Russland nicht im März die Halbinsel Krim annektiert, würde auf dieser heute das gleiche Chaos herrschen. "Wir haben eine solche Tragödie abgewendet."

Am Sonntag sollen in der ganzen Ukraine mehr als 55.000 Sicherheitskräfte im Einsatz sein, die Wahl wird von 3000 internationalen Beobachtern überwacht. Allein die OSZE stellt 1000 – in Donezk sollen allerdings nur zehn und im ebenfalls abtrünnigen Lugansk gar nur sechs Vertreter anwesend sein. Auch die unabhängige russische Organisation Golos schickt 800 Beobachter. Finanziert wird deren Mission vom erst im Vorjahr aus russischer Haft entlassenen Kremlkritiker Chodorkowski.

Die EU hat angedroht, die Strafmaßnahmen gegen Russland zu verschärfen, sollte die Präsidentenwahl nicht geregelt über die Bühne gehen können. Wirtschaftssanktionen stehen im Raum, über die bereits am Dienstag beraten werden könnte.

Ein Kontrollposten ist ein Kontrollposten – und damit hat es sich auch schon mit der Klarheit dieser Tage im Osten der Ukraine. Wer den Posten hält, Zivilisten mit Stöcken oder Jagdgewehren, Soldaten, Burschen, maskierte Paramilitärs oder vielleicht Polizei, aber vor allem aus welchem Grund, in wessen Auftrag, ist dann schon wieder mehr als unklar. Polizei ist nicht gleich Polizei, Soldat nicht gleich Soldat. Nur die Waffen, die sind Fakt.

Kommenden Sonntag wird gewählt in der Ukraine. Ein neuer Präsident. Einer, der ein aus dem Leim gehendes Land wieder zusammenkitten wird müssen. Denn das, was sich derzeit sowohl im Osten als auch im Machtzentrum der Ukraine, Kiew, zuträgt, ist nichts anderes als der Zerfall eines Staates in Allianzen, Milizen und Zirkel. Der Sicherheitsapparat ist heillos überfordert, die Staatsmacht bedrängt von Separatisten ebenso wie von bewaffneten Gruppen, deren nicht vorhandenes Vertrauen in den Staat darin mündet, dass Exekutivgewalten in die eigene Hand genommen werden. Maskierte Männer in Tarnanzügen ohne Hoheitsabzeichen gehören sowohl in Kiew als auch in Donezk zum Straßenbild. Und gefragt nach dem Grund ihres Tuns, sind jeweils die anderen Maskierten die blutrünstigen Schlächter. Irreguläre Milizen gibt es auf allen Seiten dieses Konfliktes.

Runder Tisch

Und es gibt runde Tische. Dabei sollen, so der Wunsch der Regierung, Vertreter der Ostukraine und Vertreter der Regierung zu einer gemeinsamen Linie im Umgang mit den Problemen im Osten kommen. Am Mittwoch fand wieder ein solches Treffen statt. Nach dem ersten gescheiterten Versuch vor einer Woche in Kiew, dem zweiten vergangenen Samstag in Kharkiw nun der dritte Versuch in der südukrainischen Stadt Mikolaijw. Konkrete Ergebnisse wurden ebenso wenig erwartet, wie vor den vorangegangenen Besprechungen. Und geredet wurde diesmal just an einem Tag, an dem die ukrainischen Kräfte neue Offensiven in ihrer Anti-Terror-Operation im Osten starteten. Aus mehreren Orten wurden Gefechte gemeldet.

Dabei ist völlig unklar, wie viel Kontrolle die Regierung in Kiew noch über die lokalen Behörden im Donbass hat, und wie oder ob die Präsidentenwahl in der Region stattfinden wird. Die Vorgehensweise der Regierung in Kiew jedenfalls, Einheiten von Armee und Nationalgarde in Kooperation mit irregulären Milizen gegen die Separatisten vorrücken zu lassen, kommt bei der regionalen Bevölkerung nicht gut an und schürt oft vor allem eines: Angst. Das, wenn auch zugleich die Sympathien für die Separatisten enden wollend zu sein scheinen.

Das öffentliche Bekenntnis des mächtigen Oligarchen Rinat Achmetow zu einer geeinten Ukraine und gegen die Separatisten ist in den Tagen vor der Wahl das wohl hoffnungsvollste Signal für den wichtigen Urnengang. Seine Worte hatten Folgen: unterstützende Hupkonzerte, Warnstreiks, aber vor allem sollte sein Einfluss auf die regionalen Behörden ebenso wie auch auf die Polizei nicht unterschätzt werden. Entsprechend schroff fiel die Reaktion der Rebellen aus. Sie ließen am Mittwoch wissen, dass man Achmetows Betriebe in der Region enteignen werde. Ein Bus seines Fußballclubs Schachtar Donezk wurde angegriffen.

Weniger das Ergebnis der Wahl am Sonntag wird ausschlaggebend sein als ihr Verlauf. Denn nach dem von den Separatisten veranstalteten Referendum am 11. Mai geht es am Sonntag vor allem um eines: Ob Kiew die Autorität hat, die Wahlen in der Ostukraine organisieren, abhalten und damit ein representatives Wahlergebnis zustande bringen zu können. Wie es in der ukrainischen Nationalhymne schon eingangs heißt: "Noch ist die Ukraine nicht gestorben."

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