Ein Siegestor macht noch keine Konjunktur
Jubel statt trauriger Fado-Klänge: Portugal darf für kurze Zeit vergessen, in welch trister Lage sich das Land befindet. Die Diagnose für Portugal ist definitiv schwerwiegender als für Ronaldos Knie. Das Land am Atlantischen Ozean steckt wieder einmal in einer schweren Krise.
2011 musste sich Portugal unter den Rettungsschirm flüchten, den die EU und der Internationale Währungsfonds im Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise gespannt hatten. 78 Milliarden Euro bekam Portugal als Hilfskredite. 2014 konnte das Notprogramm beendet werden – und damit auch die ärgsten Sparvorgaben. Nach Rezessionsjahren gab es wieder leichtes Wachstum. Auch der Arbeitsmarkt begann sich etwas zu erholen. Portugal zählte im Vorjahr sogar zu jenen EU-Ländern, in denen – relativ gesehen – die meisten neuen Jobs geschaffen wurden.
Mehr als 600.000 Portugiesen ohne Job
Eine lebhafte Textil- und Schuhdesignerszene zählt da ebenso dazu wie innovative Unternehmen in der traditionellen Korkbranche. Dennoch liegt die Arbeitslosenrate immer noch bei horriblen 12,1 Prozent, mehr als 600.000 Portugiesen sind ohne Job. Sie haben aber schon Schlimmeres erlebt. In der tiefsten Krise machte die Arbeitslosenquote mehr als 17 Prozent aus. Viele haben auch das Land verlassen. 80.000 Portugiesen pro Jahr gingen auf der Suche nach besseren Chancen ins Ausland – meist nach Frankreich, in die Schweiz oder nach Brasilien.
Dass gerade jetzt, "wo vorsichtiger Optimismus in der Bevölkerung aufkeimt", die EU Bußgeld wegen der Defizitüberschreitung androht, sei ein "schwere Dämpfer", sagt Astrid Fixl-Pummer, Wirtschaftsdelegierte in Lissabon. Versprochen hatte die portugiesische Regierung eigentlich, das Budgetdefizit im Vorjahr auf drei Prozent oder darunter zu drücken. Tatsächlich sind es 4,4 Prozent geworden (siehe Seite 7 unten).
Eigentor
Schuld daran war auch eine Bank. Das Institut mit Sitz auf Madeira musste mit 2,2 Milliarden Euro gerettet werden. Ganz aus der Verantwortung lassen Ökonomen die Bevölkerung aber nicht. Sie hatte eine neue Regierung gewählt, die die laufenden Reformen (Pensionen, Sozialtransfers) teilweise zurücknahm. Das war ein Eigentor, so das Urteil von Ökonomen. Weil Portugal jetzt wieder steigende Zinsen für seine Staatsschulden zahlen muss. Und die lassen mit immensen 129 Prozent der Wirtschaftsleistung ohnehin keine Luft zum Atmen.
Aber natürlich gibt es auch Hoffnungsschimmer: Der Tourismus boomt. Urlaubsgäste weichen Krisenländern aus, wo sie etwa Terrorismus fürchten müssen, und reisen unter anderem auf die Iberische Halbinsel. 17,4 Millionen Touristen kamen im Vorjahr nach Portugal, 89.500 davon aus Österreich. Heuer scheint der Aufwärtstrend weiter zu gehen. Der Tourismus trägt schon zehn Prozent zur Wirtschaftsleistung bei.
Export-Artikel Nr. 1 ist der VW Sharan. Der wird für ganz Europa südöstlich von Lissabon gebaut, auch für österreichische Kundschaft.
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