Polen ändert Mediengesetz: Juncker pocht auf Verfahren

PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski (l.) und Polens Präsident Andrzej Duda (r.).
Präsident Duda besiegelt "Reformen": Öffentlich-rechtlicher Sender de facto unter Regierungskontrolle.

Nach sehr umstrittenen Reformen in Polen will die EU-Kommission mögliche Gefahren für den Rechtsstaat in einem Verfahren überprüfen. "Wir beginnen eine Prozedur, die wir 2014 erfunden haben", sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Donnerstag in Amsterdam. Anlass war der Start der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft, die bis Ende Juni läuft.

In Polen werden unterdessen Fakten geschaffen. Präsident Andrzej Duda unterzeichnete das umstrittene Mediengesetz. "Es ist für den Präsidenten wichtig, dass die öffentlichen Medien unparteiisch, objektiv und glaubwürdig sind", gab seine Sprecherin Malgorzata Sadurska zur Begründung an. Derzeit sei das nicht der Fall.

Welche Auswirkungen das Gesetz hat

Mit dem Gesetz wird künftig der Schatzminister und damit ein Mitglied der Regierung über die Besetzung der Direktorenposten in den öffentlich-rechtlichen Medien und bei der staatlichen Nachrichtenagentur entscheiden. Das Gesetz, das von der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) eingebracht worden ist, wird von Journalistenorganisationen und Menschenrechtsgruppen heftig kritisiert. Mit Inkrafttreten des Gesetzes erlöschen mit sofortiger Wirkung die Amtszeiten der Führungsmitglieder des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens. Gegen das Gesetz haben vier Journalistenorganisationen Beschwerde beim Europarat eingereicht.

Polen ändert Mediengesetz: Juncker pocht auf Verfahren
epa05075708 Thousands of city residents attend a demonstration in Poznan, 19 December 2015. People gathered to protest against the newly formed right-wing Law and Justice (PiS) government and its actions aimed at disempowering the Constitutional Tribunal. The protest was organised by the nonpartisan Committee for the Defence of Democracy (KOD). Demonstrations were held in twenty-one cities in Poland. EPA/KUBA KACZMARCZYK POLAND OUT

EU will erstmals neuen Frühwarn-Mechanismus aktivieren

Die härtere Gangart Brüssels gegenüber der nationalkonservativen Regierung in Warschau zeichnete sich schon am vergangenen Wochenende ab. Die EU-Behörde machte deutlich, dass sie das 2014 eingeführte und bisher ungenutzte Rechtsstaatlichkeitsverfahren nutzen will. Dies ist eine Art Frühwarn-Mechanismus, um mit dem betreffenden Land über Probleme beim Rechtsstaat zu sprechen. Sanktionen drohen zunächst nicht.

Eine Debatte der Kommission über Polen ist für Mittwoch nächster Woche (13. Jänner) geplant. Kommissionsvizechef Frans Timmermans wartet nach eigenen Angaben noch immer auf eine Antwort aus Polen auf zwei Briefe, die er nach Warschau geschickt hatte. Dabei ging es auch um die Reform des Verfassungsgerichts.

Zwar wolle er dem Prozess nicht vorgreifen, so Timmermans, denn es gebe einen Dialog mit der polnischen Regierung. Im letzten Viertel des Jahrhunderts sei die Überführung eines Teils von Staaten von einer Diktatur in eine vollständige Demokratie der größte Erfolg der EU gewesen. Dies bedinge auch die Einhaltung von Menschenrechten und Grundrechten. Diese sei eine "kollektive Verantwortung" für die EU, und "nicht nur für diese Staaten, sondern für die EU als Ganzes".

Regierungschefin: "Werden unseren Standpunkt vorstellen"

Polen ändert Mediengesetz: Juncker pocht auf Verfahren
Polish Prime Minister Beata Szydlo talks after visiting a medical clinic in Radom, Poland Janaury 7, 2016. REUTERS/Andrzej Michalik/Agencja Gazeta THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS. POLAND OUT. NO COMMERCIAL OR EDITORIAL SALES IN POLAND.
Regierungschefin Beata Szydlo setzt auf eine "aktive Debatte" mit der EU über die jüngste Entwicklung in ihrem Land. "Vor allem werden wir unseren Standpunkt vorstellen", sagte sie im zentralpolnischen Radom über ein für Freitag geplantes Treffen eines Vertreters des Außenministeriums mit der Warschauer EU-Vertretung.

Juncker sagte, er erwarte nicht, dass wegen Polen der Artikel Sieben des EU-Vertrags angewendet wird. Das kann passieren, wenn ein Staat die Werte der EU dauerhaft und in schwerwiegender Weise verletzt. In letzter Konsequenz kann bei dieser "Atombombe" das Stimmrecht bei Ministerräten und Gipfeln entzogen werden. "Wir brauchen freundliche und gute Beziehungen zu Polen", lautet das Credos Junckers. Der Konflikt mit Polen solle nicht "überdramatisiert" werden.

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