KURIER: Es heißt immer öfter, die USA würden am Krieg in der Ukraine gut verdienen, weil sie Militärhilfe in großem Umfang gewähren, aber nicht als Geschenk, sondern die Ukraine wird das irgendwann auch alles bezahlen müssen. Mitunter mit Geld, das die EU bereitstellt. Macht die EU das auch so? Geben wir Geld her, damit die Ukraine bei uns Waffen kaufen kann?
Gabriel Felbermayr: Natürlich machen wir das auch so. Die Ukraine ist ja de facto pleite. Sie lebt von der Rüstungshilfe aus dem Westen und ganz platter Finanzhilfe, bei der auch Österreich massiv involviert ist. Die Frage ist, was mit diesen Krediten langfristig geschieht.
Sprechen wir nun von Geschenken oder Darlehen oder einem Mix aus beidem?
Ja, ganz genau, ein Mix. Zunächst mögen das vor allem Darlehen sein. Aber die Frage bei einer späteren großen Wiederaufbaukonferenz wird sein, falls die Ukraine als Staat überlebt, was macht man mit den Kriegsschulden? Die Hoffnung im Westen ist am Ende, dass man etwas von dem vielen Geld zurückbekommt und dass man Moskau zahlen lässt aufgrund des völkerrechtswidrigen Angriffs. Daher ist es auch so verständlich, wenn man sagt, Russland muss den Krieg verlieren. Denn nur, wenn das der Fall ist, kann man von Moskau auch etwas verlangen.
Und wenn das nicht der Fall ist? Dann ist es am Ende sehr wahrscheinlich, dass viele dieser Kredite auf sehr lange Zeit gestreckt oder ganz abgeschrieben werden müssen. Daher ist es jetzt vernünftig, darüber auch genau Buch zu führen, was da an Ressourcen eingesetzt wird.
Die Aktienkurse der US-Rüstungskonzerne gehen deshalb ja schon kräftig nach oben ...
Übrigens auch die Aktie der deutschen Rheinmetall (baut wichtige Teile des Leopard 2-Panzers, Anm.), es sind nicht nur die US-Konzerne. Aber die Konzerne profitieren, weil die Staaten ja nur indirekt involviert sind. Die Waffen kommen aus den Beständen der Industrie und gehören dem Staat ja gar nicht.
Krieg ist eben immer auch ein Geschäft, so zynisch das jetzt klingen mag…
Und ein verdammt schlechtes Geschäft für alle anderen, das muss man halt auch dazu sagen – vom menschlichen Leid bis zur hohen Inflation. Derzeit erleben wir aus all diesen Gründen eine massive Wohlstandsverschiebung in Richtung USA und gegen Europa.
Wie meinen Sie das?
Der Hauptgrund dafür ist, dass die USA ab 2010 von einem Nettoimporteur zu einem Nettoexporteur bei Energie wurden, vor allem durch das Fracking-Gas. Da war von den Rüstungsexporten noch keine Rede, das fängt jetzt erst an. Auf der anderen Seite ist Europa natürlich weiter Netto-Importeur von Energie. Deshalb diese Wohlstandsverschiebung. Bis 2010 waren die USA und Europa von Preisverschiebungen auf dem Weltmarkt ziemlich gleich betroffen, seitdem geht die Schere aber massiv auseinander.
Wir Europäer tauschen nur eine Abhängigkeit gegen eine andere. In der NATO geht ja auch ohne die USA gar nichts ...
Die europäische Rüstungsindustrie ist auch in einer kapazitätsmäßig schlechten Verfassung. Die hat einfach über Jahre Hunger gelitten, in den USA war das anders. Es geht also gar nicht anders. Jetzt zu sagen, ui, das ist aber böse, die amerikanischen Rüstungsfirmen verdienen momentan so gut… Da muss man sich fragen, was wollt ihr denn? Sollen die Amis ihr Material herschenken, das verlangen wir ja von unseren eigenen Firmen auch nicht. Und wer unterstützt denn vor Ort? Auch ihr Fracking-Gas werden die Amerikaner nicht herschenken. Zum Freundschaftspreis um die Hälfte werden wir das US-Gas nicht bekommen als Ersatz für das Russen-Gas.
Im Moment bleibt uns in Europa also gar nichts anderes übrig, als der Ukraine viel Geld zu geben, damit US-Waffen geliefert werden können, weil unsere Rüstungsindustrie das gar nicht könnte?
Ja, wir bekommen die Rechnung serviert für zwei massive Fehler der Vergangenheit. Der erste Fehler war, dass man sich bei den Rohstoff-Importen nicht diversifiziert hat. Das war alles andere als schlau. Und zweitens waren wir sicherheitspolitisch naiv und haben die Militär-Budgets, von denen die Rüstungsindustrie ja lebt, sehr stark geschrumpft bis ausgehungert. Jetzt ist man verärgert, dass wir das militärische Material nicht haben und die Amerikaner schon. Gott sei Dank haben die USA ihre Rüstungsindustrie nicht auch kaputtgespart, sonst wären die russischen Truppen wahrscheinlich schon längst viel weiter im Westen, womöglich an der ukrainisch-ungarischen Grenze.
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