OSZE-Beobachter in Hand von Separatisten

Soldaten in Tarnkleidung sitzen auf der Ladefläche eines Militärfahrzeugs und zielen mit Gewehren.
Die Anti-Terror-Operation hat Dutzende Todesopfer gefordert. Ein OSZE-Team ist vermisst.

Kurz nach der Präsidentenwahl in der Ukraine erschüttern Gefechte den krisengeschüttelten Osten des Landes: Gestern startete die Regierung eine "Anti-Terror-Operation" in der Stadt Donezk – nach Angaben der Separatisten seien dabei mindestens 35 Menschen ums Leben gekommen.

Zudem hat die OSZE den Kontakt zu einem ihrer Beobachterteams verloren, das in der Nähe der ostukrainischen Stadt Donezk unterwegs war. Das teilte die OSZE am Dienstag mit. Kontakt zu der Gruppe bestand demnach zuletzt am Montagabend. Das vierköpfige Team sei vermutlich auf einer routinemäßigen Patrouillenfahrt bei Donezk gestoppt worden, sagte eine OSZE-Sprecherin am Dienstag.

Nach Angaben der dänischen Regierung sind sie nun wohl in der Gewalt prorussischer Separatisten und wurden von ihnen festgesetzt. Die Teammitglieder stammten aus der Schweiz, Estland, Dänemark und der Türkei. Für die OSZE sind derzeit 282 Beobachter in der Ukraine im Einsatz. Sie sammeln Fakten zur Sicherheitslage und verfassen unabhängige Berichte. Der Einsatz hat die Rückendeckung aller 57 OSZE-Staaten. Auch Russland hatte nach langen Diskussionen zugestimmt.

Damit scheint die Zeit der Entspannung so schnell vorbei zu sein, wie sie gekommen war - zuvor hatte es erstmals seit Wochen Signale der Annäherung zwischen der Ukraine und Russland gegeben.

Lkw unter Beschuss

Der Separatisten-Anführer Pawel Gubarew teilte am Montagabend mit, ein Lastwagen mit verletzten Kämpfern sei von regierungstreuen Truppen beschossen worden, als er vom Donezker Flughafen in ein Krankenhaus unterwegs gewesen sei. Der selbst ernannte Gouverneur der nicht anerkannten "Volksrepublik Donezk" sprach in einer Mitteilung auch von 15 Verletzten. Die Gesundheitsbehörden bestätigten lediglich, dass es Tote und Verletzte bei Kämpfen in der Millionenstadt gegeben habe.

Die Verletzten würden in Krankenhäusern der Stadt behandelt, die Toten in Leichenhallen gebracht, teilte die regierungstreue Gebietsverwaltung mit. Die Behörde machte keine Angaben dazu, zu welcher Konfliktseite die Opfer gehörten. Donezk wird von militanten prorussischen Kräften geführt, die die Kiewer Regierung nicht anerkennen. Unabhängige Berichte über den Zwischenfall gab es nicht.

Flughafen zurückerobert

Nach heftigen Gefechten mit prorussischen Separatisten hat die ukrainische Armee nach Regierungsangaben den Flughafen von Donezk im Osten des Landes zurückerobert. "Der Flughafen ist vollständig unter unserer Kontrolle", teilte Innenminister Arsen Awakow am Dienstag mit. Die prorussischen Milizen hätten bei den Kämpfen "schwere Verluste erlitten". Soldaten seien dagegen nicht getötet worden.

Nach Angaben von Donezks Bürgermeister Alexander Lukjantschenko wurden bei den Gefechten insgesamt 40 Menschen getötet, darunter auch zwei Zivilisten. Außerdem würden 31 Verletzte in Krankenhäusern behandelt, sagte er vor Journalisten.

Die ukrainische Armee hatte am Montag einen Angriff auf den Flughafen der Rebellenhochburg gestartet, den bewaffnete Kämpfer in der vorangegangenen Nacht eingenommen hatten. Die Bodentruppen wurden dabei von Kampfjets, Militärhubschraubern und Fallschirmjägern unterstützt. Am Dienstagmorgen waren an dem Flughafen immer noch Explosionen und heftige Schusswechsel zu hören gewesen, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten.

Härtere Gangart

Der am Sonntag gewählte neue prowestliche Präsident Petro Poroschenko hatte eine Verschärfung der "Anti-Terror-Operation" angekündigt. Gleichzeitig bot er einen Dialog mit Moskau an. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte nach Angaben von Interfax, seine Regierung sei dazu bereit. Allerdings forderte er Poroschenko auch auf, die "Anti-Terror-Operation" zu stoppen.

Poroschenko war am Abend offiziell zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt worden. Der Wahlkommission zufolge kam der Milliardär nach Auszählung von 90,01 Prozent der Stimmzettel auf 54,33 Prozent. Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko landete weit abgeschlagen mit 13 Prozent auf Rang zwei. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) schätzt ein, dass die Wahl trotz der unruhigen Lage demokratische Standards erfüllte.

Brüssel berät

Die Abstimmung in dem Krisenland ist auch Thema des Treffens der EU-Staats- und Regierungschefs am Dienstagabend in Brüssel. Zuvor hatte es in Diplomatenkreisen geheißen, da die Lage in dem Land nicht eskaliere, stünden schärfere Sanktionen gegen Moskau zur Zeit nicht an.

In Streit um Gaslieferungen konnten sich Russland und die Ukraine unterdessen nicht auf ein Gesamtpaket einigen. Nach einem Spitzentreffen der beiden Energieminister mit der EU-Kommission am Montag in Berlin wurden unverändert Differenzen über den künftigen Gaspreis für die Ukraine deutlich. "Wir sind noch nicht durch", sagte EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Bei einer weiteren Verhandlungsrunde am Freitag soll eine Eskalation noch abgewendet werden.

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