Orban mit Blumenstrauß zu Besuch bei Altkanzler Kohl

Viktor Orbán mit einem Blumenstrauß in der Hand.
Ungarns Ministerpräsident und Merkel-Widersacher traf deutschen Ex-Kanzler privat.

Blumen für den deutschen Altkanzler: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban ist am Dienstag zu einem Privatbesuch bei Helmut Kohl (CDU) in Ludwigshafen eingetroffen. Orban betrat das Wohnhaus Kohls im Stadtteil Oggersheim gegen Mittag mit einem großen Blumenstrauß, wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP berichtete.

Nach Angaben von Kohls Büro handelt es sich um einen rein privaten Besuch. Ein Auftritt vor der Presse oder der Öffentlichkeit ist nicht vorgesehen. Kohls Büro kündigte für später allerdings eine schriftliche Erklärung zum Treffen der beiden Männer an.

Auch die Polizei war im Einsatz, linke Demonstranten gingen gegen den Besuch Orbans auf die Straße.

Eine Gruppe von Menschen demonstriert mit einem Banner gegen Nationalismus.
Left wing demonstrators protest against the visit of Hungarian Prime Minister Viktor Orban to meet former German Chancellor Helmut Kohl later today in Oggersheim Ludwigshafen, Germany, April 19, 2016. The text reads 'Take nationalism out of your mind.' REUTERS/Kai Pfaffenbach

Freunde und Feinde

Orban und Kohl sind sich seit langem freundschaftlich verbunden. Die deutsche Bundesregierung reagierte im Vorfeld gelassen auf das geplante Treffen. Der Besuch Orbans bei Kohl veranlasste die ungarische Regierung allerdings zur Klarstellung, dass das Treffen kein Affront gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sein solle.

Orban gilt EU-intern als scharfer Widersacher Merkels in der Flüchtlingspolitik. Die Differenzen zwischen beiden Politikern traten zuletzt öffentlich deutlich zutage.

Kohl kritisiert in seinem Buch Grenzöffnungen

Kohl hatte in einem Vorwort zur ungarischen Ausgabe seines Buchs "Aus Sorge um Europa" laut einem Bericht die Grenzöffnung für Flüchtlinge kritisiert und unter anderem geschrieben, Europa könne "nicht zur Heimat für Millionen Menschen weltweit in Not werden". Die Lösung liege in den Herkunftsregionen der Menschen, nicht in Europa.

Eine Menschenmenge demonstriert mit Bannern gegen Nationalismus.
ABD0047_20160419 - Eine Anwohnerin steht am 19.04.2016 in Oggersheim bei Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) vor einem Besuch von Ungarns Ministerpräsident Orban in Kohls Privathaus vor Demonstranten, die Transparente mit der Aufschrift "Kein Mensch ist illegal" und "Nationalismus raus aus den Köpfen" in den Händen halten. Foto: Uwe Anspach/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Auch wenn Kohl Merkel nicht namentlich nannte, wurde die Passage von Beobachtern als Kritik an Merkels Entscheidung vom September 2015 gewertet, in Ungarn festsitzende Flüchtlinge zur Weiterreise nach Deutschland einzuladen. Die Kanzlerin hatte ihren Entschluss damals nicht mit den anderen EU-Mitgliedstaaten abgestimmt.

Unter anderem der CDU-Vizechef Armin Laschet wies diese Interpretation zurück. Die zitierte Kritik Kohls an der Grenzöffnung stehe nicht im Widerspruch zu Merkels Politik, sagte er in einem Interview. "Helmut Kohl sagt das, was Angela Merkel seit Monaten sagt - keine nationalen Alleingänge, europäische Lösungen, Schutz der Außengrenze."

Bild-Herausgeber Kai Diekmann ist einer der wenigen, die zum deutschen Altkanzler Helmut Kohl vorgelassen werden. Wenn seine zweite Frau Maike Kohl-Richter, 52, ein paar Tage frei braucht, leisten Diekmann und seine Frau Katja Kessler dem alten Herren im Rollstuhl Gesellschaft, berichten sie selbst. Helmut Kohl war schon Diekmanns Trauzeuge 2002 und bei der Hochzeit von Kohl mit Maike Kohl-Richter 2008 durfte Diekmann diesen Part übernehmen.

Das sollte man wissen, um das Interview, das Helmut Kohl am Sonntag zu seinem 86. Geburtstag gegeben hat, besser einordnen zu können. Kohl wünscht sich "noch ein paar gute Jahre". Ihm falle das Sprechen und Schlucken noch schwer, sagte er der Bild-Zeitung. Helmut Kohl, der von 1982 bis 1998 Bundeskanzler der Bundesrepublik war und die Wiedervereinigung durchgezogen hatte, verbrachte die letzten Monate im Krankenhaus. Nach einer Hüftoperation musste er sich einem Eingriff am Darm unterziehen, in der Folge kam es zu Problemen und insgesamt 24 Wochen Intensivstation in Heidelberg.

Seine Ansage in der Bild, er wolle sich mit Ungarns umstrittenen Premier Viktor Orban treffen, wurde am Montag in Berlin mit gemischten Gefühlen wahrgenommen. Als Kampfansage an Kanzlerin Angela Merkel und ihre Flüchtlingspolitik will man sein Interview offiziell nicht verstehen. Doch inoffiziell ist der "Ehrenbürger Europas" immer noch eine Autorität in der CDU.

Allerdings werden die Worte Kohls nicht nur ihm, sondern auch seiner Frau Maike zugeschrieben, die sich die Deutungshoheit über die Gedanken ihres Mannes gegen jeden und alle alten treuen Gefährten erkämpft hat. Kohls Söhne Walter und Peter dürfen den Vater nicht mehr sehen oder sprechen. Auch Kohls ehemals engste Weggefährten wie sein Fahrer oder seine langjährige persönliche Sekretärin Juliane Weber dürfen das Haus in Oggersheim nicht mehr betreten.

Der von Helmut Kohl zunächst auserwählte und dann nicht mehr anerkannte Biograf Heribert Schwan, der mit ihm 600 Stunden Gespräche geführt hatte, beschreibt Kohls zweite Frau als "geradezu deutschnational", sie habe auf "nachweislich falschen Aussagen" bestanden. Auch in der Süddeutschen kommt die junge Ehefrau schlecht weg. Sie versuche eine "Mauer um ihn zu bauen".

Einsame Entscheidung

Am Montag wurde auch ein Teil eines Bucheintrags zur Veröffentlichung freigegeben, der anlässlich der Verleihung des Aachener Karlspreises an Papst Franziskus Anfang Mai erscheinen wird. Darin schreiben Kohl oder seine Frau: "Einsame Entscheidungen, so begründet sie dem Einzelnen erscheinen mögen, und nationale Alleingänge müssen der Vergangenheit angehören. Sie sollten im Europa des 21. Jahrhunderts kein Mittel der Wahl mehr sein, zumal die Folgen von der europäischen Schicksalsgemeinschaft regelmäßig gemeinsam getragen werden müssen."

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