Ohrfeige für Polens Regierung

Demos gegen den Eingriff in die Rechtsstaatlichkeit in Polen
EuGH-Urteil: Demokratie und Rechtsstaat sind beeinträchtigt – Auslieferungen nicht mehr automatisch

Die polnische Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) musste am Mittwoch eine Imageschlappe hinnehmen, ausgerechnet durch einen vermutlichen Drogenhändler verursacht: Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat Gerichten in EU-Ländern zugestanden, einem Europäischen Haftbefehl, der in Polen ausgestellt wurde, nach Prüfung nicht nachzukommen.

Konkret ging es um einen wegen Drogendelikten von der polnischen Staatsanwaltschaft gesuchten polnischen Bürger, der im vergangenen Jahr in Irland festgenommen worden war. Er klagte gegen die Auslieferung in sein Heimatland, da ihm dort kein fairer Prozess gemacht würde. Ein irisches Gericht fragte darum bei der EU-Behörde an. Die zuständige irische Richterin Aileen Donnelly erklärte in ihrem Antrag: „Sowohl der gemeinsame Wert Rechtsstaatlichkeit sowie die Demokratie in Polen wurden durch die (staatlichen) Veränderungen verletzt“. Die Richterin, die offen lesbisch lebt, war im Vorfeld von polnischen regierungsnahen Medien massiv angegriffen worden.

Flucht nach vorne

Der Gerichtshof in Luxemburg stützt sich bei seinem Urteil auf das Rechtsstaatlichkeitsverfahren, das von der EU-Kommission gegen Polen angestrengt wird. Zbigniew Ziobro, Justizminister, Generalstaatsanwalt sowie nach Parteichef Jaroslaw Kaczynski Baumeister beim Umbau des polnischen Rechtssystems, versuchte in der Pressekonferenz am Mittwoch die Flucht nach vorn. „Im Gegensatz zu dem, was das irische Gericht wollte, ist der Europäische Gerichtshof nicht damit einverstanden, dass die Auslieferung eines Verdächtigen, der schwerer Verbrechen beschuldigt wird, automatisch abgewiesen wird.“ Stimmt, automatisch nicht, es muss von Fall zu Fall geprüft werden.

Gegen die Reformen der PiS geht die EU-Kommission seit Anfang 2016 rechtlich vor, am Ende der Prozedur kann theoretisch der Stimmverlust im Europäischen Rat stehen. Grund: Polen untergräbt augenscheinlich die Rechtsstaatlichkeit.

Parteikonforme Richter

Das Verfassungsgericht sowie den Landesgerichtsrat konnte die Regierung in Warschau bereits mit parteikonformen Richtern besetzen. In Richtung Auflösung der Gewaltenteilung wurde in der Nacht auf Mittwoch erneut ein wichtiger Schritt unternommen: In einer Sitzung des Senats stimmten die Abgeordneten der zweiten Kammer über eine Novelle ab, die das Oberste Gericht betrifft – die letzte bedeutende Institution der Judikative des Landes. „Dies ist ein weiterer Schritt, der die Gerichtsbarkeit der Politik unterordnet“ so Adam Bodnar, der Ombudsmann für Menschenrechte, der im Senat zugegen war. Die Novelle regelt die rasche Einsetzung einer Nachfolgerin der Vorsitzenden des Obersten Gerichts, Malgorzota Gersdorf.

Die regierungskritische Juristin weigert sich bisher, ihren Posten zu räumen, der ihr laut Verfassung noch zwei Jahre zusteht. Anfang Juli trat ein Gesetz in Kraft, das alle Richter, die 65 Jahre und älter sind, in Ruhestand versetzt, dieser Direktive folgten bereits elf Juristen. Gersdorf soll nun so bald wie möglich durch die PiS-nahe Juristin Malgorzot Manowska ersetzt werden, die bisher im Berufungsgericht in Warschau sowie in der Richterausbildung tätig war.

Am 2. Juli hat die EU-Kommission deshalb ein neues Verfahren eingeleitet und Polen einen Monat Zeit gegeben, um die Reformen rückgängig zu machen. Die PiS will sich mit der Besetzung darum beeilen, um vollendete Tatsachen zu schaffen.

Jens Mattern, Warschau

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