Griechenland: "Überleben, mehr geht nicht"

Griechenland und seine internationalen Geldgeber haben sich auf eine Grundsatzvereinbarung für ein drittes Rettungspaket geeinigt. Das bestätigte Griechenlands Finanzminister Euklid Tsakalotos (mehr dazu hier).
Indes wird das Leben in Griechenland von Tag zu Tag schlimmer, und Erwin Schrümpf aus Seekirchen am Wallersee kann das bestätigen: "Vor drei Jahren war die Krise auf der Straße noch nicht spürbar, die Leute waren noch gut drauf. Heute zittert jeder vor dem Bankomaten, ob er Geld bekommt. Es ist ganz schlimm geworden", erzählt er dem KURIER.
Vor drei Jahren hat der heute 50-Jährige seinen "Griechenlandhilfe"-Verein gegründet und seitdem fährt er, mittlerweile mehrmals im Monat, mit Lastwagen Medikamente und Essen für bedürftige Griechen aus. Wie fing das an? "Ich war früher selber ein Kapitalist, mit einer Druckfirma. Zu Griechenland habe ich nie einen persönlichen Bezug gehabt", erzählt Schrümpf, ein dünner Mann mit schmalem Gesicht und zwei Packerl Zigaretten am Tisch, in einem Straßencafé auf dem Athener Platz Syntagma.
Erschütternde Doku
Vor ein paar Jahren sah er im Fernsehen eine Reportage über eine Griechin, die kein Arzt behandeln wollte, weil sie keine Krankenversicherung hatte. Das habe ihn erschüttert. "Als ich die Reportage gesehen habe, habe ich mir gedacht: Das kannst du nicht in Europa haben und das im 21. Jahrhundert!"

Neben Medikamenten liefert er Milch und Fleisch, das er bis jetzt vor Ort gekauft hat. Nachdem die griechische Regierung Ende Juni Kapitalkontrollen eingeführt hat, können die Griechen diese Grundlebensmittel nicht mehr so leicht importieren. Das Land produziert aber nicht genug Fleisch und Milch für den Eigenbedarf. Also bringt nun Schrümpf auch das aus Österreich. Er erzählt erschüttert von einem Kinderheim in Patras, wo die Kinder "nur einen Löffel Zucker und ein Ei" pro Tag zu essen bekommen.
"Am Leben erhalten"
1500 Leute betreut seine "Griechenlandhilfe" seit drei Jahren regelmäßig. Dazu gehören ein karitatives Krankenhaus in Athen, Kinder- und Behindertenheime und soziale Einrichtungen, auch in Patras und auf ein paar nahe gelegene Inseln. "Wir versuchen, die Menschen, die wir gerade haben, am Leben zu erhalten. Für mehr ist im Moment kein Geld da." Er habe "um die 40.000 Euro eigenes Geld" in sein Projekt gesteckt. Sachspenden bekomme der Verein meist umsonst, Geld sei aber für die steigenden Transportkosten dringend nötig. Wer helfen will, kann Mitglied für 60 Euro im Jahr werden.
"Ich möchte in Athen ein verlassenes Hotel übernehmen und es in ein Heim für alleinstehende Mütter umbauen", erzählt Schrümpf von seinem nächsten Projekt. Ein Kinderheim für Patras sei auch dringend nötig. "Die Generation, die Griechenland in etwa 15 Jahren aufbauen soll, lässt man jetzt verhungern und bildet sie nicht aus", stellt er fest und überlegt, was er selbst dagegen tun könnte. "In den ersten Jahren der Krise haben alle nur mit den Griechen geschimpft – dass sie faul sind und dass die reichen Griechen zahlen sollen. Wer nicht helfen will, findet immer eine Ausrede dafür."
Seit Tagen ist aus Brüssel, aber vor allem aus Athen zu hören, das dritte Hilfspaket für Griechenland sei so gut wie fertig verhandelt. Am Dienstag könne es demnach präsentiert werden. In Berlin gilt das noch nicht als ausgemacht: "Warten wir ab, wie die Verhandlungen weiterlaufen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Nachsatz: "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit." Griechenland spricht am Dienstag aber schon von einer Einigung.
Bis 20. August muss Griechenland aber frisches Geld bekommen, um 3,2 Milliarden Euro an die EZB zurückzahlen zu können. Ein drittes Hilfspaket soll bis zu 86 Milliarden Euro umfassen.
Der deutsche Anteil an den bisherigen Rettungspaketen für Athen wird auf rund 90 Mrd. Euro beziffert. Allerdings wurde der deutsche Staatshaushalt laut einer Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle durch Ausbruch der Krise 2010 auch seitdem um rund 100 Milliarden Euro entlastet. "Deutschland hat also in jedem Fall von der Krise profitiert", heißt es in der am Montag präsentierten Untersuchung. So seien beispielsweise die Zinsen für deutsche Staatsanleihen (auch für jene von Österreich, Frankreich, den Niederlanden oder USA) gesunken, weil mehr Investoren ihr Geld in diese "sicheren" Anleihen steckten und stecken.
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