Flüchtlinge: Österreich wird keinen Millimeter abweichen

Innenministerin Mikl-Leitner bleibt auf hartem Kurs in der Flüchtlingspolitik.
Reaktionen und offene Fragen nach dem EU-Türkei-Gipfel.

Spät in der Nacht gab es dann noch ein Ergebnis. Die wesentlichen Punkte des EU-Türkei-Deals zum Thema Flüchtlinge müssen aber noch weiter ausverhandelt werden. Gibt es einen positiven Abschluss der Verhandlungen, soll dieser auf dem nächsten Gipfeltreffen, das am 17./18. März stattfindet, beschlossen werden.

Vorsichtig haben Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) die Ergebnisse des EU-Türkei-Gipfels beurteilt. Erste Vereinbarungen zeigten in die richtige Richtung, aber er könne "noch nicht Entwarnung" geben, so Faymann. Nur "theoretisch einige Schritte weitergekommen" sieht Mitterlehner die Union. Der Kanzler konstatierte etwa einen Forschritt dahingehend, dass man mit der Türkei in "guten Gesprächen" über den Grenzschutz sei, aber noch sei nichts dauerhaft gelöst. Der Gipfel habe aber "im Wesentlichen" den Boden bereitet für Vereinbarungen über eine Eindämmung des Schlepperwesens und über Kontingente für Resettlement- und Relocation-Programme. Wobei Faymann einräumte: Das bereits beschlossene Verteil-System "funktioniert nicht" bzw. nicht "schnell genug".

Flüchtlinge: Österreich wird keinen Millimeter abweichen
Geplante Rücknahme von Flüchtlingen, Visumpflicht und Hilfsgelder GRAFIK 0266-16, 88 x 132 mm

Der Kanzler trat auch dem immer wieder geäußerten Vorwurf entgegen, die EU lasse sich von der Türkei quasi erpressen und sei im Gegenzug für ein Entgegenkommen in der Flüchtlingsfrage bereit, auf dem Menschenrechts- oder Meinungsfreiheitsauge blind zu werden. Man habe gegenüber der Türkei lediglich "Absichtserklärungen", etwa in Sachen Visa und Beitrittsverhandlungen, abgegeben, und keine inhaltliche Position eingenommen.

Mikl-Leitner sieht österreichische Linie bestätigt

Die österreichische Regierung sieht ihre Linie nach dem EU-Türkei-Gipfel in ihrer Flüchtlingspolitik jedenfalls bestätigt. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sagte am Dienstag vor dem Ministerrat, dass man die Tageskontingente beibehalten werde. Das Ergebnis des Gipfels sei "höchstens ein ganz kleiner Schritt in die richtige Richtung". Die Tageskontingente bei der Aufnahme würden daher beibehalten.

Das Ziel ist für die Innenministerin eine "schnelle, große Lösung" auf EU-Ebene, was die Lösung des Flüchtlingsproblems betrifft. In den kommenden Tagen würde nun jeder einzelne Punkt des Gipfels abgearbeitet werden, um einen Beschluss herbeizuführen. Österreich bleibe jedenfalls auf der aktuellen Linie. "Wir werden keinen Millimeter abweichen von unseren Positionen", betonte Mikl-Leitner.

Österreich nicht in der Pflicht

Bei einer EU-weiten Verteilung der Asylsuchenden sieht Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) Österreich nicht in der Pflicht. "Ich würde derzeit die Aufnahme nicht für Österreich sehen", meinte er dazu und weiter: "Derzeit sind ganz klar andere Staaten gefordert." Österreich habe sehr viele Asylsuchende, zeigte sich Doskozil mit Mikl-Leitner weiter auf einer Linie. Auch der Verteidigungsminister sieht die Einführung von Grenzkontrollen nach dem Gipfel als bestätigt.

Der britische Premier David Cameron sagte nach den Gesprächen, dass die Basis für einen Durchbruch gelegt worden sei. Ähnlich Angela Merkel, für die man einen qualitativen Schritt weiter gekommen sei. „Viele waren sich einig, dass das ein Durchbruch ist“, betonte Merkel. Beim nächsten regulären EU-Gipfel Mitte März soll es eine Einigung über den neuen türkischen Vorschlag geben. „Es bleibt noch Arbeit bis zum 18. März zu tun.“ Auf die Frage, ob ihr vor den drei Landtagswahlen am kommenden Sonntag ein größerer Fortschritt lieber gewesen wäre, sagte Merkel: „Das nimmt keinerlei Rücksicht auf nationale politische Termine.“

Tsipras sieht nur einen kleinen Schritt

Weniger euphorisch äußert sich der griechische Premier Alexis Tsipras. Die Ergebnisse des Krisentreffens seien lediglich ein Schritt nach vorn, sagte Tsipras am frühen Dienstagmorgen in Brüssel. Es müssten jedoch zahlreiche Schritte unternommen werden. „Die heutigen Bilder aus Idomeni, von unserer nördlichen Grenze, sind tragisch“, sagte Tsipras weiter. Es sei ein großer Fehler zu glauben, dieses Problem betreffe nur die Migranten und die Länder, die sie passierten. Wenn die EU diesen Fehler weiterhin begehe, seien die Folgen gravierend, sagte er. Tsipras trifft bereits heute zu bilateralen Gesprächen mit Ahmet Davutoglu zusammen.

Bilder: Dramatische Lage in Idomeni

Flüchtlinge: Österreich wird keinen Millimeter abweichen

GREECE-MACEDONIA-EUROPE-MIGRANTS
Flüchtlinge: Österreich wird keinen Millimeter abweichen

Refugees at the Greek-Macedonian border
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Refugees at the Greek-Macedonian border
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Flüchtlinge: Österreich wird keinen Millimeter abweichen

GREECE-EUROPE-MIGRANTS-MACEDONIA
Flüchtlinge: Österreich wird keinen Millimeter abweichen

Refugees at the Greek-Macedonian border
Flüchtlinge: Österreich wird keinen Millimeter abweichen

Still thousands of refugees massing in Idomeni to
Flüchtlinge: Österreich wird keinen Millimeter abweichen

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Flüchtlinge: Österreich wird keinen Millimeter abweichen

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Özdemir: Türkei nutzt die europäische Uneinigkeit

Der Chef der Grünen in Deutschland, Cem Özdemir, erklärte, dass die Türkei „geschickt die lähmende Uneinigkeit der EU ausnutzt, um einen möglichst hohen Preis für ihre Türsteherrolle zu erzielen“. Die Forderung nach umfassenden Finanzhilfen der EU erscheine nachvollziehbar. Diese müssten dann aber auch zu vernünftigen Lebensbedingungen der Flüchtlinge in der Türkei führen.

Der Grünen-Chef warnte davor, die Augen vor der menschenrechtlichen Situation in der Türkei zu verschließen: „Das wird nach hinten losgehen und zu neuen kurdischen und türkischen Flüchtlingen führen.“ Der EU-Beitritt sei aus guten Gründen an klare Kriterien gebunden. „Diese Werte für einen kurzfristigen Nutzen zu verkaufen, wird uns langfristig gehörig auf die Füße fallen“, sagte Özdemir.

Zusätzliche Finanzhilfe noch offen

Was in den nächsten Tagen noch verhandelt werden muss, ist das Thema Finanzhilfe. Ahmet Davutoglu hatte im Zuge des Gipfels verlangt, dass die Türkei drei Milliarden (zusätzlich zu den bereits versprochen drei) bekommt. Ein Ansinnen, das unter anderem Finanzminister Schelling abgelehnt hat.

Auch dass die Balkanroute nicht geschlossen sei, wie nach dem Gipfel verkündet, wird nicht überall so gesehen. Der slowenische Premier Miro Cerar hat erklärt, die Balkanroute existiere nicht mehr, auch wenn der Abschlusstext des EU-Türkei-Gipfels die Schließung der Route nicht explizit erwähnt. Das berichtete die slowenische Nachrichtenagentur STA am Dienstag. "Irreguläre Ströme von Migranten entlang der Route des westlichen Balkans müssen nun enden", heißt es in der Gipfelerklärung. Der ursprüngliche Textvorschlag, die Route für "geschlossen" zu erklären, wurde ausgelassen.

Slowenien setzte sich laut Cerar für die ursprüngliche Formulierung stark ein. Trotz neuer Formulierung sei dies "eine klare Botschaft an alle Schlepper und illegale Migranten, dass die Balkanroute nicht mehr existiert, dass sie geschlossen wird", sagte Cerar laut STA in der Nacht auf Dienstag nach dem Ende des Gipfels in Brüssel.

"Das bedeutet, dass die Länder entlang der Route alle illegalen Migranten zurückweisen werden", erklärte der slowenische Premier. Slowenien wird laut Cerar ab Montag bzw. Dienstag die Schengen-Regel konsequent anwenden und nur noch Personen mit entsprechenden Dokumenten die Einreise erlauben. Für alle, die in Slowenien um Asyl ansuchen werden, werden die erforderlichen Verfahren durchgeführt, hieß es.

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