Mossad-Agenten stahlen zehntausende Atomdokumente aus Iran

Israel sieht in den dabei entwendeten Materialien angebliche Beweise für die Kernwaffenpläne Teherans.

Der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad hat Anfang 2018 nach Angaben des Internetportals "Ynet" zahlreiche Dokumente zum iranischen Atomprogramm aus einem geheimen Lagerhaus in Teheran gestohlen. Reportern der "New York Times" wurde Einblick in die Papiere gewährt, die nach israelischer Darstellung beweisen sollen, dass der Iran den Bau einer Atombombe plante.

Die Mossad-Agenten drangen laut dem Medienbericht in das Gebäude im Herzen Teherans ein und entwendeten aus 32 Safes 50.000 Seiten and 163 CDs. Anfang Juli lud die israelische Regierung drei Reporter ein, einen Teil der Dokumente zu sichten. Diese sollen zeigen, dass das iranische Atomprogramm entgegen der Beteuerungen Teherans nicht nur ausschließlich zivilen Zwecken diene.

David E. Sanger und Ronen Bergman von der " New York Times" berichteten vor Kurzem über Details der Mossad-Operation. Der Iran behauptet, die betreffenden Dokumente seien Fälschungen, mit denen Israel Druck auf US-Präsident Donald Trump ausüben wollte, neue Sanktionen gegen Teheran zu verhängen. Britische und amerikanische Geheimdienstexperten würden die Dokumente aber für echt halten, schrieb "Ynet".

Atomar bestückte Raketen

In den Papieren sind demnach auch Pläne für atomar bestückbare Shahab-3-Raketen enthalten, die mit ihrer Reichweite von 2000 km auch Israel erreichen könnten. Andere Dokumente würden sich mit möglichen Anlagen für unterirdische Atomtests befassen.

Laut "New York Times" fand die Mossad-Aktion in der Nacht auf den 31. Jänner statt. Da das Gebäude gegenüber der Internationalen Atombehörde IAEA nicht als nukleare Einrichtung deklariert war, hatten die Inspektoren keinen Zutritt, es wurde aber auch nicht durchgehend bewacht. Die Agenten hatten dadurch rund sechseinhalb Stunden Zeit, die Alarmanlage lahmzulegen und die Safes zu öffnen, offenbar mit Hilfe von Insidern.

Die meisten entwendeten Dokumente seien mindestens 15 Jahre alt gewesen und würden aus einer Zeit stammen, in der der Iran sein Atomprogramm noch nicht so sehr verschleiert habe. Der "New York Times" zufolge ist es unmöglich, die angeblichen Beweise für die iranischen Atomwaffenpläne zu verifizieren, da Israel den Reportern nur einen Teil der Dokument zeigte. Andere habe man unter Hinweis auf mögliche "schurkische Elemente", die sich Know-How zum Atomwaffenbau verschaffen wollten, unter Verschluss gehalten.

Weiter als gedacht?

Den Angaben zufolgen scheint aus den Dokumenten hervorzugehen, dass das iranische Atomprogramm im Jahr 2003 weitaus umfangreicher und fortgeschrittener war, als man früher angenommen habe. Damals habe der Iran sein ursprüngliches Programm - "Projekt Amad" - beendet und habe seine Aktivitäten weitgehend im Verborgenen fortgesetzt. Experten stimmten darin überein, dass der Iran Hilfe aus Pakistan, aber auch von unabhängigen ausländischen Nuklearexperten bekommen habe.

In einem Dokument soll eine Debatte zwischen zwei iranischen Atomforschern aufgezeichnet sein. Dabei sei es darum gegangen, wie man offene und geheime Aspekte des Atomprogramms am besten auseinanderhalten könnte. Forschungen an Neutronen, die für die Kernspaltung nötig sind, könnten nicht allein als defensive Aktivitäten gerechtfertigt werden, meinte einer der Forscher.

Die "New York Times" schrieb, Experten seien sich nicht einig, ob die israelischen Enthüllungen die Berechtigung des Wiener Atomabkommens von 2015 stützen oder infrage stellen würden. Israels Premier Benjamin Netanyahu nannte die Art des Abkommens naiv. Es würde dem Iran erlauben, ab 2030 nuklearen Brennstoff zu produzieren. Auch stelle das Ausmaß der Verschleierung der iranischen Atomaktivitäten Teheran kein gutes Zeugnis aus.

In den Dokumenten wird den Angaben zufolge wiederholt Uran-Deuterid erwähnt, eine Substanz, die bei der Herstellung der Geräte verwendet wird, die eine nukleare Explosion auslösen. Sie wurde von China und Pakistan bei ihren Atomwaffenprogrammen verwendet. Der berüchtigte pakistanische Atomphysiker A. Q. Khan habe sie, so die "New York Times", an den Iran und Nordkorea verkauft.

Die rund zwei Dutzend Spione des Mossad flohen übrigens mit den Materialien auf mehreren verschiedenen Wegen aus Teheran, aus Sorge, dass einige gefasst würden. Laut dem Medienbericht würden israelische Offizielle nicht offenlegen, ob die Agenten den Iran auf dem Land-, Luft- oder Seeweg verlassen haben.

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