Kleine Staatsreform in Türkis-Blau-Rot

Kleine Staatsreform in Türkis-Blau-Rot
Türkis-Blau und ein SPÖ-Landeshauptmann stellen "die größte Verfassungsreform seit 1929" vor. Experte nennt sie "einen Witz"

Josef Moser versuchte es erst gar nicht mit Zurückhaltung, als er vergangene Woche den ersten Schritt seiner avisierten Föderalismusreform präsentierte: Die „größte Verfassungsreform seit 1929“ sei dies, so der türkise Minister über die mit den Landeshauptleuten vereinbarte Kompetenzbereinigung von Bereichen, für die Bund und Länder derzeit noch gemeinsam zuständig sind.

Mit anderen Worten: In Bereichen wie der Jugendhilfe oder der Schädlingsbekämpfung sind künftig nur noch Bund oder Land zuständig. Auch wird ein Vetorecht der Länder gestrichen, wenn der Bund Bezirksgerichte fusionieren möchte. Heute wurde die Reform im Ministerrat von ÖVP und FPÖ beschlossen.

Niessl-Lob

Anlässlich dieses Beschlusses gab es einen Überraschungsauftritt im Ministerrat. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl von der SPÖ trat gemeinsam mit Kanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Josef Moser vor die Medien. „Heute ist in der Verwaltung mehr Tempo gefragt – und das leistet die Reform: Die Verwaltung wird schneller“, lobt Niessl. Bedenken dagegen – etwa im Bereich der Jugendwohlfahrt, teilt er nicht: „Sorgen, dass es hier zu einem Qualitätsverlust kommen könnte, sind unbegründet: Wir sind uns alle einig, dass wir keinen Qualitätsverlust in der Jugendwohlfahrt haben wollen.“ Zu den noch offenen Reformpunkten wie Mindestsicherung, Krankenanstalten und Elektrizitätswesen sagt Niessl: „Die Länder sind bereit, sich auch hier konstruktiv einzubringen. Das ist nicht einfach, aber auch hier gibt es Ansätze.“

"Mini-Reform"

Handelt es sich hierbei also um ein großes Reformwerk, wie es der Minister für Deregulierung und der Landeshauptmann des Burgenlands suggerieren?

Nein, sagen namhafte Verfassungsexperten. Theo Öhlinger, Föderalismus-Experte und emeritierter Professor für Verfassungsrecht, erklärt dem KURIER: „Das als große Reform zu verkaufen, ist wirklich ein Witz. Das Ansinnen ist ja ein gutes, aber es ist eine Mini-Reform und sicher keine Staatsreform.“

Keine großen Brocken

Schließlich, so Öhlinger, betreffe der Bereich, den Moser nun im Verfassungsartikel der gemischten Kompetenzen angegangen ist, „nur einen Bruchteil der Staatsaufgaben, das sind lediglich Lappalien“.

Die großen Brocken – etwa Spitäler oder Mindestsicherung – werden in Mosers Reform ausgespart. Hier soll es, so Moser, im Frühjahr 2019 eine Einigung mit den Ländern geben.

Mit seiner Skepsis ist Öhlinger nicht alleine. Auch Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk sieht im Ansinnen des türkisen Ministers mit FPÖ-Vergangenheit zwar „Positives“, sagt aber: „Ein großer Wurf ist das sicher nicht.“ Funk fehlt vor allem der Bereich des Schulwesens, auch in einer Reform der Zuständigkeit für Spitäler schlummere nach wie vor Potenzial. Moser selbst warb einst als Präsident des Rechnungshofes immer dafür, das bestehende System mit Landes- und Bundeslehrern abzuschaffen. Im derzeitigen Entwurf ist davon allerdings noch keine Rede, auch dieses Thema soll erst im kommenden Jahr andiskutiert werden.

„Wohltuend“ findet indes Peter Bußjäger, Föderalismus-Experte und Professor an der Uni Innsbruck, Mosers Reformpläne zur Entflechtung von Kompetenzen zwischen Bund und Land. Nachsatz: „Ein wirklich großer Wurf wäre es allerdings, wenn auch große Brocken mit dabei wären.“

Klaus Knittelfelder

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