Mini-Gipfel ohne Lösung - Merkel bleibt unter Druck

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit Kanzler Kurz vor Beginn des Mini-Gipfels.
Was in drei Jahren nicht gelöst werden konnte, wollten Chefs von 16 Staaten jetzt lösen – ohne Ergebnis.

Die Europäische Union steckt in der größten Krise seit gut einem Jahrzehnt.

Das seit drei Jahren drängende Flüchtlingsproblem bleibt weiter ohne konkrete Lösung. Auch ein Mini-Gipfel in Brüssel an diesem Sonntag konnte die teils völlig konträren Positionen nicht auf eine gemeinsame Linie bringen. Man werde weiter gemeinsam an einer Lösung arbeiten, sagte Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel nach dem Treffen. Gelegenheit dazu gibt es bereits kommenden Donnerstag und Freitag beim regulären EU-Gipfel der EU-28.

Dabei steht Merkel unter maximalem innenpolitischen Druck. Ihr sitzt Innenminister Horst Seehofer von der Schwesterpartei CSU im Nacken, der ihr ein Ultimatum gestellt hatte, eine Lösung in der Flüchtlingsfrage in den kommenden Tagen zu finden. Andernfalls will Seehofer an den deutschen Grenzen Asylwerber aus anderen Staaten zurückweisen. Merkel beharrt darauf, dass das nicht einseitig, sondern nur im Zusammenspiel mit den europäischen Partnern geschehen dürfe.

Österreichs türkis-blaue Regierung steht hinter den Plänen Seehofers. Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache gehen von einer „Kettenreaktion“ aus, die in Gang gesetzt werde, sobald die Deutschen ihre Grenzen für Flüchtlinge abriegeln. Aus Deutschland abgeschobene Flüchtlinge würden demnach von Österreich ebenfalls zurückgewiesen werden – dann wohl vor allem nach Italien, wo derzeit noch viele Flüchtlinge landen.

Italien drängt deshalb auf einen „radikalen Wandel“ der Asylpolitik. Die Dublin-Regelung, nach der Migranten in dem Land einen Asylantrag stellen müssen, das sie zuerst innerhalb der EU betreten haben, müsse komplett überwunden werden, zeigte sich Italiens neuer Regierungschef Giuseppe Conte beim Mini-Gipfel einigermaßen erzürnt. Denn wenn Deutschland und Österreich ernst machen, würden die Italiener mit dem Flüchtlingsproblem alleine gelassen.

Italien mit neuem Plan

Conte hat seinen EU-Partnern am Sonntag einen konkreten Vorschlag namens “European Multilevel Strategy for Migration“ vorgelegt – ein Zehn-Punkte-Programm zur Bewältigung des Migrationsstreits: Dieser sieht vor allem vor, dass die oben beschriebene Dublin-Regelung komplett fällt. Italien fordert „gemeinsame Verantwortung“ aller EU-Mittelmeerländer bei der Aufnahme von Migranten. „Die Rettungspflicht kann nicht zur Pflicht werden, die Asylanträge aller eingetroffenen Migranten zu prüfen“, heißt es in Contes Programm.

Weiters fordern die Italiener Flüchtlingseinrichtungen außerhalb der EU, der Plan nennt konkret den Niger und Libyen für mögliche Erstaufnahmezentren für die Migranten. In diesen soll festgestellt werden, welche Flüchtlinge Recht auf Asyl in Europa haben. Jene, denen kein Asyl zugestanden wird, sollen zurückgeführt werden. Die EU, so Contes Plan, solle dafür mit dem Flüchtlingswerk UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) an Programmen für die Rückführung von Migranten arbeiten.

Rom will Verteilung, Wien nicht

Unbestritten, auch für Kanzler Kurz, ist Contes Forderung, die Außengrenzen strenger und mit mehr Personal abzuschirmen.

So weit, so klar. Doch was soll mit jenen Flüchtlingen passieren, die dennoch nach Europa kommen?

Conte schlägt eine Verteilung auf die EU-Staaten vor. Das lehnen nicht nur die Visegrád-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn) vehement ab. Auch Österreich will das nicht.

Merkel bleibt also unter Druck – und sucht weiter fieberhaft nach Lösungen.

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