Kein Konzept und viele interne Fehden

Brücken haben in der Stadt Falludscha nahe Bagdad große Bedeutung: 2004 wurden die Leichen von vier Amerikanern an einer Brücke aufgehängt. 2015 wurde ein irakischer Soldat von der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) an einer Brücke der Stadt gehenkt. Und jetzt: Jetzt sind es die Brücken, an denen die neuen Herren der Stadt ihren Sieg in Form riesiger Poster feiern. Und die neuen Herren in der durch und durch sunnitischen Stadt sind seit der Rückeroberung vom IS Schiiten.
Iraks Premier Al-Abadi war zwar bemüht, rasch nach Falludscha zu kommen, um die Befreiung zu feiern – da wurde in der Stadt noch gekämpft, so schnell war er. Aber eine Tatsache konnte auch er kaum leugnen: Die Einheiten, die da aufseiten der irakischen Kräfte kämpften , trugen zum Teil zwar irakische Uniformen – als der Kampf vorbei war, legten sie die aber meist sofort ab und die Insignien ihrer schiitischen Milizen wieder an.
Abadi hat es schwer, den Sieg in Falludscha als Sieg des Irak zu verkaufen. Vielmehr ist es ein Sieg schiitischer Kampfverbände, die sich gegen einen gemeinsamen Gegner mehr oder weniger einem Kommando unterworfen haben – mit allen negativen Folgen: Hinrichtungen sunnitischer Zivilisten, Folter, Verschleppungen. Und so ist es ein sehr labiler Sieg, der da errungen wurde – weil es kein politisches Konzept gibt, die Sunniten einzubinden. Und das gilt für alle sunnitischen Regionen im Irak – während die schiitischen Gebiete zunehmend von Banden und Milizen kontrolliert werden.
Keine Machtbasis
Der Ausschluss der Sunniten aber aus dem politischen Leben durch die schiitisch dominierte Regierung war es aber, der es dem IS ermöglicht hatte, sich im Irak in sunnitischen Regionen flächendeckend zu etablieren. Und Abadi hat es trotz aller Versprechen nicht geschafft, die mächtigen, überwiegend schiitischen Partei-Minister, deren Loyalität weniger der Regierung als informellen Machtzirkeln gilt, durch Technokraten auszutauschen. Nicht, weil er nicht möchte, wie Beobachter meinen, die ihm Reformwillen zusprechen, sondern, weil er keine Machtbasis hat.
Genau das hat beträchtliche inner-schiitische und inner-parteiliche Opposition anwachsen lassen. In der eigenen Partei, der schiitischen Dawa-Partei, ist es Amtsvorgänger al-Maliki, der an Abadis Sessel sägt. Im schiitischen Lager allgemein war es zuletzt der einflussreiche Prediger und Milizenführer Muqtada al-Sadr, der zu Protesten gegen die Regierung aufgerufen hatte – besonders wegen Korruption und offenkundiger Inkompetenz der Behörden, eine funktionierende Strom-Versorgung aufzubauen.
Als Abadi daher nach dem Terror vom Sonntag (mindestens 213 Tote)in Bagdad den Ort des Anschlages besuchen wollte, kam es nicht überraschend, dass er ausgebuht und sein Konvoi mit Steinen beworfen wurde.
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