Merkel bleibt bei Nein zu Grenzzäunen

Trotz innerparteilichen Drucks - auch Bayerns Innenminister spricht sich gegen Sperrmaßnahmen aus.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bleibt trotz andauernden Drucks aus ihrer Partei beim Nein zu Grenzzäunen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag in Berlin, die Kanzlerin habe mehrfach deutlich gemacht, dass auch ein Zaun nicht helfen werde, verzweifelte Menschen komplett abzuhalten.

Der Generalsekretär von Merkels Christdemokraten (CDU) im ostdeutschen Bundesland Sachsen, Michael Kretschmer, sagte im Sender radioeins, einen Grenzzaun wolle "natürlich niemand", und ein Zaun würde auch "niemanden aus Deutschland fernhalten können". Trotzdem sieht Kretschmer in einem Zaun "möglicherweise am Ende die letzte Lösung". Er sagte: "Das Problem hier ist doch, dass Europa gerade auf ganzer Linie versagt." Niemand halte sich an Verträge und Abkommen. "Es geht auf Dauer so nicht weiter."

Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) der CDU/CSU-Fraktion, Christian von Stetten, erklärte schriftlich: "Es gibt zahlreiche PKM-Mitglieder, die unsere Innen- und Rechtspolitiker aufgefordert haben, einen Antrag zum Thema Asyl/Flüchtlinge in die Fraktion einzubringen." Der PKM plane aber "derzeit keinen offiziellen PKM-Antrag zu dieser Frage". Die Bild-Zeitung hatte berichtet, eine Gruppe um von Stetten wolle Merkel per Beschluss zur Abkehr von der Politik der offenen Grenzen zwingen.

Auch der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer, distanzierte sich von solchen Plänen für Grenzschließungen.

Kritik an Erdogan-Besuch

Grünen-Co-Chef Cem Özdemir sagte dem Sender n-tv: "Die Vorstellung, dass wir um Deutschland neue Mauern errichten, ist doch geradezu abenteuerlich. (...) Darüber hinaus muss man endlich mal (...) aufhören, rote Teppiche auszurollen für autoritäre Herrscher wie beispielsweise Herrn Erdogan, der die Krise in Syrien noch verschärft."

Innenminister Thomas de Maiziere wies in der ARD Kritik an den Gesprächen von Merkel mit dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu und Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan am Sonntag - zwei Wochen vor der dortigen Parlamentswahl - zurück: "Wir können nicht immer nur auf dem moralischen Sockel sitzen und alle Welt belehren über Menschenrechtszustände."

Für Hilfe in der Flüchtlingskrise hatte Merkel in Istanbul Finanzhilfen und eine erleichterte Einreise von Türken in die EU in Aussicht gestellt. Im Gegenzug erwartet sie von Ankara die schnellere Einführung eines Rückübernahmeabkommens für Flüchtlinge und Migranten.

Zur Frage, ob die Türkei als sicheres Herkunftsland eingestuft werden könne - Flüchtlinge aus solchen Ländern haben nur eine geringe Bleibeperspektive - sagte eine Sprecherin des Außenministeriums, die Diskussion darüber sei nicht abgeschlossen.

Der Außenexperte der Sozialdemokraten, Niels Annen, macht in der Saarbrücker Zeitung deutlich, dass seine Partei derzeit einer solchen Einstufung nicht zustimmen würde. Mehr als 20 Prozent der Asylbewerber würden aus der Türkei in der EU anerkannt. "Das kann man nicht einfach ignorieren."

Der bayerische Innenminister, Joachim Herrmann (CSU), sprach sich gegen den Vorschlag der Deutschen Polizeigewerkschaft, aus, einen Zaun an Deutschlands Südgrenze zu bauen. "Davon halte ich wenig", sagte Herrmann dem Radiosender WDR5 am Montagmorgen.

Angesichts des anhaltenden Flüchtlingsandrangs hatte der Chef der Gewerkschaft, Rainer Wendt, den Bau eines Zauns an der Grenze zu Österreich gefordert. Statt eines Zauns brauche es eine "klare politische Entscheidung", wie Deutschland künftig mit den ankommenden Flüchtlingen umgehen wolle, sagte Herrmann weiter.

Attentat auf Reker rechtsextreme "Eskalation"

Über das Attentat auf die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker zeigte sich Herrmann schockiert: Die Attacke stelle eine "unglaubliche, weitere Eskalation von offensichtlich rechtsextremistischer Gewalt" dar. Die Sicherheitsbehörden müssten solche rechtsextremen Taten schnellstmöglich ermitteln und die Täter vor Gericht stellen. "Wir müssen in der politischen Auseinandersetzung deutlich machen: Man kann sich über die richtige Ausländer- und Flüchtlingspolitik streiten, aber jeder, der hier extrem ausländerfeindlich mit Hasstiraden gegenüber Asylbewerbern unterwegs ist, hat mit der Mitte der Gesellschaft nichts zu tun", sagte Herrmann.

Die CSU setzt sich in der Flüchtlingspolitik für härtere Regeln ein und fordert unter anderem die Einrichtung von umstrittenen Transitzonen an den Grenzen. Der Koalitionspartner SPD lehnt die Zonen ab.

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