Merkel: Auf der Suche nach einem Bündnis
Zwei Tage nach der deutschen Bundestagswahl suchen die Parteien weiter nach einer Strategie für eine mögliche Koalition. Wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) haben sich auch SPD und Grüne prinzipiell zu Gesprächen bereiterklärt. In beiden bisherigen Oppositionsparteien wird ein Bündnis aber eher skeptisch beurteilt.
Große Koalition
Die in der SPD einflussreiche Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens, Hannelore Kraft, betonte am Abend in Düsseldorf, die SPD sei nicht angetreten, um als Mehrheitsbeschafferin die Union an der Regierung zu halten. Demokratie brauche auch eine starke, lebendige Opposition.
Dennoch: Eine große Koalition ist die wahrscheinlichste aller Möglichkeiten, schreibt die Süddeutsche. Vor allem Merkel und ihrem SPD-Kollegen Sigmar Gabriel wird ein Nahverhältnis nachgesagt.
Seehofer gegen Schwarz-Grün
Die Grünen sind ähnlich skeptisch: Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer, der prinzipiell als Befürworter einer Öffnung hin zur Union gilt, warnte vor einem schwarz-grünen Bündnis. "Das wäre ein brutaler Wortbruch", sagte der Realo dem Mannheimer Morgen (Dienstag). Dies sei "nur um den Preis des totalen Gesichtsverlusts der Grünen" möglich. Doch auch innerhalb der Union ist man gegen eine schwarz-grüne Koalition: CSU-Chef Horst Seehofer will nicht mit den Grünen über eine mögliche Koalition verhandeln.
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble appellierte an SPD und Grüne, sich jeweils der Bildung einer Koalition mit der Union nicht aus parteipolitischen Erwägungen zu verweigern. "Wir haben alle gelernt, dass wir auch eine Verantwortung für den Staat haben", sagte der CDU-Politiker am Montagabend im ZDF. "Erst kommt der Staat und dann die Partei und nicht umgekehrt. Und das wird dann auch für die anderen gelten."
Die Union von Kanzlerin Angela Merkel hatte bei der Wahl am Sonntag zwar beinahe die absolute Mehrheit erreicht, braucht aber einen Koalitionspartner. Da die FDP den Verbleib im Bundestag nicht geschafft hat, kommen nur SPD und Grüne infrage. Eine rot-rot-grüne Koalition, für die die Linke weiterhin wirbt, haben SPD und Grüne ausgeschlossen.
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Tabula Rasa in den Spitzengremien der Grünen: Am Tag eins nach der bittersten Wahlniederlage in der Geschichte der deutschen Ökopartei gab es am Montag Serienrücktritte. Von den Wahlkampf-Frontleuten Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckard bis zu den Parteichefs Cem Özdemir und Claudia Roth werden etliche Grünen-Spitzenfunktionäre im Vorstand und Parteirat im Herbst ihre Ämter niederlegen. Roth will allerdings nach einem Bericht von Spiegel Online für das Amt der Bundestags-Vizepräsidentin kandidieren.
Die Suche nach Gründen für die schmerzhaften Verluste (minus 2,3 Prozentpunkte auf 8,4 %) hat voll eingesetzt. Der Zorn der Partei richtet vor allem gegen Fraktionschef Jürgen Trittin. Dieser hat am Dienstag schließlich den Rückzug von seinem Amt angekündigt. Er trete nicht wieder an, sagte er in einer Fraktionssitzung in Berlin.
Der ehemalige Umweltminister der rot-grünen Regierung Schröder war der Motor jener Sozialreform- und Steuererhöhungspläne, die offensichtlich auch viele eigene Wähler schwer verprellt haben. Ehrgeizige Visionen für eine gerechtere Umverteilung der Vermögen und höhere Bildungsausgaben hätten es sein sollen – hängen geblieben aber sind bei den Wählern letztlich nur drohende, massive Steuererhöhungen. Warnungen aus dem gemäßigten Parteiflügel, mit solch einem Kurs vergrätze man die politische Mitte, schlugen Trittin und der linke Parteiflügel in den Wind.
Pädophilie-Debatte und der Vorschlag, in Kantinen einen fleischlosen Tag einzuführen („Veggie day“) taten ihr übriges, potenzielle Wähler abzuschrecken. Von ihren eigentlichen Kernthemen – Umwelt, Energiewende, Klimaschutz – war im Wahlkampf hingegen erst zu hören, als die Umfragen bereits in den Keller stürzten.
„Sauschlecht“
„Wir haben im Wahlkampf den Eindruck gemacht, dass wir eine Verbotspartei sind“, gab sich Noch-Grünen-Chef Cem Özdemir kleinlaut. Die Niederlage sei „hausgemacht, da gibt es nichts zu beschönigen“. Andere Grüne, wie etwa Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn, waren deutlicher: „Wir hatten eine sauschlechte Kampagne.“ Und der bayerische Grünen-Landeschef Dieter Janecek polterte: „Jetzt muss alles schonungslos auf den Tisch kommen – inhaltlich, aber auch personell.“
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