Italiens Außenminister und Berlusconi-Erbe Tajani könnte in der Innenpolitik noch Pläne haben
17.07.23, 18:00
Es war ein sichtlich gerührter Antonio Tajani, der am Wochenende seine Wahl zum Vorsitzenden von Forza Italia annahm. Es gab weder Gegenstimmen noch Enthaltungen. Silvio Berlusconi, Gründer und Alleinherrscher über die Partei, der im Alter von 86 Jahren am 12. Juni starb, hatte keinen politischen Nachfolger designiert. Tajani, der am 4. August seinen 70. Geburtstag feiert und in der regierenden Koalition Vizepremier und Außenminister ist, war aber seit Längerem auch stellvertretender Vorsitzender von Forza Italia.
Bei seiner Antrittsrede sagte er, es sei nicht leicht, eine „politische Bewegung zu führen, die 30 Jahre lang Berlusconi an der Spitze hatte.“ Deshalb werde er nur Vorsitzender, nicht Präsident sein.
Tajani ist für sein bedachtes, moderates Auftreten bekannt. Anders als Berlusconis frühere Möchtegernnachfolger hat er nie versucht, aus dem Schatten des Cavaliere zu treten. In letzter Zeit war es auch Tajani, der die peinlichen Äußerungen Berlusconis zum Krieg in der Ukraine und seinem Freund, den russischen Präsidenten Wladimir Putin, ausbügelte.
Schon lange vor Berlusconis Ableben hatte sich das politische Italien mit der Frage beschäftigt, was aus Forza Italia ohne den Cavaliere werden würde. Nicht nur die Wähler machten sich rar, acht Prozent waren es bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr. Die Partei hat außerdem der Familie gegenüber Schulden in Höhe von 100 Millionen Euro.
Jetzt soll Forza Italia zumindest bis nach den EU-Wahlen 2024 bestehen bleiben, das sollen Marina Berlusconi, die älteste Tochter des Cavaliere und Vorsitzende der Familienholding Fininvest, und Premierministerin Giorgia Meloni (Fratelli d’ Italia) vereinbart haben.
Eng mit EVP-Weber
Tajani, ein ehemaliger Monarchist, gehört zu den Gründern von Forza Italia. 1994, wechselte er, nach nur ein paar Wochen als Pressesprecher des Premiers im ersten Berlusconi-Kabinett, ins EU-Parlament.
In den EU-Institutionen hat er 29 Jahre verbracht: zuerst als Abgeordneter, dann zweimal als EU-Kommissar (Verkehr, Industrie), 2017 wurde er Präsident des EU-Parlaments. Mit dem deutschen EVP-Präsidenten Manfred Weber verbindet ihn eine besonders enge Beziehung, weswegen er auch für Premierministerin Giorgia Meloni von strategischer Relevanz im Hinblick auf die EU-Wahlen ist. Er könnte Türöffner für eine engere Zusammenarbeit der Europäischen Volkspartei mit der von Meloni angeführten Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR).
Jetzt liegt es an Tajani, ob er der Vorsitzende sein wird, der Forza Italia zu Grabe trägt, oder ob er der Partei wieder Lebenselan einflößt – etwa, indem er sie zu einer christlich-demokratischen Partei wandelt. Tajani gilt als stilles Wasser, was aber nicht heißen muss, dass er nicht auch Pläne hat. Immerhin ist er Berlusconis Nachfolger geworden, was sicher nicht dem Zufall geschuldet ist.
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