Walesa: Polnische Regierung "nicht demokratisch"

Lech Walesa, Ex-Präsident Polens
Die Demokratie stecke überall in der Krise, sagt der Friedensnobelpreisträger.

Nach den Rechtsexperten des Europarates erhebt auch der polnische Ex-Präsident Lech Walesa schwere Vorwürfe gegen die nationalkonservative Regierung in Warschau. "Die jetzige Regierung ist in ihrer Geisteshaltung nicht demokratisch", sagte der Friedensnobelpreisträger in einem Interview mit der "ZiB2" am Freitagabend.

Die polnische Regierung steht wegen Übergriffen auf die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts in der Kritik, neben dem Europarat hat auch die EU-Kommission ein Prüfverfahren eingeleitet. Walesa sagte, dass das Klima der Unsicherheit die Politik in Polen "radikalisiert" habe. Doch Polen sei kein Einzelfall. "Die Demokratie steckt überall in der Krise", sagte er unter Verweis auf die französische Rechtsaußen-Politikerin Marine Le Pen. "Wir müssen dieses unsolidarische Europa schnell reformieren."

"Ich werde als Verräter bezeichnet"

Walesa ist selbst ins Visier des Lagers der nationalkonservativen Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) geraten, die ihm Spitzeltätigkeit für den früheren kommunistischen Geheimdienst vorwirft. Der Gründer der ersten unabhängigen Gewerkschaft des Ostblocks, der mit seinen Protestaktivitäten die kommunistischen Machthaber in Warschau zur Verhängung des Kriegsrechts zwang, sprach von "gefälschten Beweisen".

Als Dissident sei er damals vor der Wahl gestanden, mit niemandem zu reden oder Kontakte zu knüpfen, erklärte Walesa. Er habe sich für die zweite Möglichkeit entschieden. "Mein Sieg über den Kommunismus gibt dieser Entscheidung Recht. Dennoch werde ich heute als Verräter bezeichnet."

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