Kurz vor der Halbzeit: Erste Risse in der Koalition
Nach monatelanger Pause stritten am Wochenende auf einem "Gipfel" wieder einmal die Spitzen der Koalition. Als die Teilnehmer um zwei Uhr Früh das Kanzleramt verließen, waren sie nur um eine Erkenntnis reicher: Die Stimmung ist schlecht wie nie in den eineinhalb Jahren dieser Koalition. Weder gelang eine Annäherung in der wichtigsten Frage der Legislatur, der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen, noch in der Tagespolitik bei der Monsterbürokratie zur Überwachung des neuen Mindestlohns.
Zeitgleich beharken sich Union und SPD seit Wochen in der Öffentlichkeit wie sonst nur Regierung und Opposition. Vor allem die SPD setzt den Koalitionspartner unter Druck: Etwa die ambitionierte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit Zweifeln am Bundeswehr-Sturmgewehr oder das Kanzleramt mit Zweifeln an der Loyalität des BND-Geheimdienstes. "Die Dramatisierung des Unbewiesenen" betitelte das die seriöse FAZ, die der Union rüde Vorwärtsverteidigung statt gelassene Aufklärung vorhielt.
Deren prominentestes Opfer könnte Innenminister Thomas de Maiziere ( CDU) werden, früher Verteidigungsminister und davor Merkels Kanzleramtschef und Geheimdienstkoordinator. CSU-Chef Horst Seehofer verhöhnt wiederum die SPD wegen ihrer schlechten Umfragewerte, die ihre Wirtschafts- und Mittelstandsfeindlichkeit spiegelten. Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel schwebt scheinbar darüber und ist mit den Krisen Ukraine und Griechenland offenbar ausgelastet.
Nervosität
Nachdem die SPD bisher die Koalitionsarbeit mit ihren Sozialprojekten prägte und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dank der EZB-Nullzinsen das Budget scheinsanierte, ist nun kein politischer Gestaltungswille mehr erkennbar. Die CSU ist geschwächt durch Seehofer-Nachfolge-Spiele, die CDU beruhigt sich mit ihren dank Merkels enormer Beliebtheit stabilen Umfragewerten bei über 40 Prozent. Und die SPD wird immer nervöser, weil die ihren noch unter den 25 Prozent der schweren Wahlniederlage 2013 festkleben.
Parteichef und Vizekanzler Sigmar Gabriels härtere Gangart zielt schon auf die fünf Landtagswahlen 2016, das Stimmungsbarometer für die Bundestagswahl 2017. Und nun hat er sich laut Bild parteiintern zu dem entschlossen, was nur logisch ist: Selbst den Kanzlerkandidaten zu geben und nicht jemanden anderen die Wahl schlagen zu lassen so wie 2013 Peer Steinbrück. Der verlor. Aber auch jetzt wollen laut Forsa nur elf Prozent der Deutschen Gabriel als Kanzler, Merkel aber 59 Prozent.
Dass das so bleibt, dafür könnte auch die alte Abneigung der Deutschen gegen zu viel Streit sorgen – schon gar in einer Großen Koalition.
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