"Rosinenpicken für Briten kommt nicht infrage"

Gute zwanzig Minuten länger als geplant hatten Sebastian Kurz und Philip Hammond miteinander verbracht, als sie schließlich zum Pressetermin im Außenministerium in London erschienen. "Wir sprechen oft miteinander und teilen viele Meinungen", meinte der Brite. Das Gespräch habe sich einerseits um die Herausforderung durch Migration und Syrien-Krise, andererseits um die Reform der EU gedreht: "Die tritt jetzt in eine schnellere Phase ein – und wir hatten dabei viele Übereinkünfte." Worin diese geteilten Reforminteressen bestehen, war schon schwerer herauszufinden. "Innerhalb der nächsten zwei Wochen" werde David Cameron seinen Brief britischer Forderungen nach Brüssel schicken, versprach Hammond. Er wollte dem Chef dabei nicht zuvorkommen. "Sie werden verstehen, dass wir auf die konkreten Details warten müssen", kam ihm Kurz zu Hilfe.
Britische Offensive
Ein vorheriges Ausformulieren gemeinsamer Ziele hätte wohl nicht geschadet. Gleichzeitig diskutierte ja Camerons Intimus, Schatzkanzler George Osborne, in Berlin mit Wolfgang Schäuble über Großbritanniens Sonderstatus als Nicht-Euroland. Fraglich, wie viel von der britischen EU-Außenpolitik heutzutage tatsächlich noch im Außenministerium gemacht wird. Schließlich trat Hammond selbst noch vor einem Jahr für den EU-Austritt ein.
Als der Brite bereits fort war, ließ Sebastian Kurz doch noch Konkretes durchblicken: "Wir sind uns einig, dass mehr Subsidiarität der Europäischen Union guttut. Das ist nichts, wo man die Verträge ändern muss, sondern nur etwas, wo man die Idee der EU ernst nehmen und erfüllen sollte."
Subsidiarität, sprich Eigenverantwortung der Mitgliedsländer, klingt gut, aber nicht immer: "Gerade die Flüchtlingskrise zeigt uns ja, dass es große Fragen gibt, wo wir mehr Europa brauchen", so Kurz, "und dann gibt es kleinere Fragen, wo Nationalstaaten und Regionen wesentlich besser entscheiden können, und wo sich die Europäische Union nicht einmischen sollte."
Große Reformen nicht ausgeschlossen
Auch Reformen, die Vertragsänderungen erfordern, seien zwar "wesentlich schwieriger, aber nicht ausgeschlossen". Hammond hatte zuvor die alte britische Forderung in den Raum gestellt: Sozialleistungen, inklusive Beihilfen für berufstätige Steuerzahler, erst nach einer Frist von vier Jahren an eingewanderte EU-Bürger auszuzahlen. Eine Idee, die klar dem Gleichheitsgrundsatz unter EU-Bürgern zuwiderläuft. "Ich halte es für entscheidend, dass wir die Niederlassungsfreiheit in der Union aufrechterhalten", meinte Kurz dazu. "Um diese zu schützen, müssen wir aber auch verhindern, dass man sich das beste Sozialsystem aussucht."
Ein "Rosinenpicken für Großbritannien" käme jedenfalls nicht infrage: "Ich bin der Meinung, dass wir Probleme, die Großbritannien anspricht, als Europäische Union gesamtheitlich lösen sollten."
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