Kurz empfängt Singapurs Premier: "Können viel lernen"

Kurz empfängt Singapurs Premier: "Können viel lernen"
Lee Hsien Loong kommt am Mittwoch zu Gesprächen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz nach Wien.

Kein anderes Land der Erde bietet Kindern so gute Entwicklungschancen wie Singapur. Dies zeigt der in der vergangenen Woche erstmals präsentierte "Human Capital Index" der Weltbank, in dem Österreich immerhin auf dem elften Platz liegt. Im Vorfeld des EU-Asien-Gipfels kommt der Premier des Stadtstaates, Lee Hsien Loong, am Mittwoch zu Gesprächen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach Wien.

Es ist bereits das dritte Treffen der beiden Regierungschefs heuer. Im April hatten sie einander beim Wirtschaftsforum im chinesischen Bao getroffen, Ende August besuchte Kurz Singapur. Österreich könne "viel von Singapur lernen, gerade im Bildungsbereich und bei der Innovation", betonte der Bundeskanzler im Vorfeld des nunmehrigen Treffens. "Singapur ist ein kleiner, sicherer, sauberer Staat mit einer beeindruckenden Entwicklung. Vor rund 40 Jahren war Singapur noch ein Entwicklungsland, nun ist es eine offene und weltweit sehr erfolgreiche Volkswirtschaft."

Freilich gibt es auch Schattenseiten. Singapur wird von Kritikern nämlich als "Demokratur" bezeichnet, in der es keinen funktionierenden politischen Wettbewerb gibt und die öffentliche Ordnung zum Teil mit drakonischen Maßnahmen aufrechterhalten wird. Premier Lee ist der Sohn des legendären verstorbenen Staatsgründers Lee Kuan Yew. Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1965 gab es erst drei Regierungschefs. Sie gehören alle der Partei PAP ("People's Action Party") an, die bei den jüngsten Wahlen 70 Prozent der Stimmen erreichte. Im angesehenen Demokratieindex der Economist Intelligence Unit (EIU) liegt Singapur nur am 69. Platz und wird als "mangelhafte Demokratie" eingestuft.

Engere Zusammenarbeit

Lee wird am Mittwoch um 12.00 Uhr mit militärischen Ehren von Kurz empfangen, danach ist ein Gespräch der beiden Regierungschefs geplant. Um 13.45 Uhr wollten sie vor die Presse treten. Bilateral möchte Österreich mit Singapur vor allem im Bereich Digitalisierung enger zusammenarbeiten. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) will im Rahmen des Besuchs ein Memorandum of Understanding (MoU) zum Thema Digitalisierung unterzeichnen. Wien und Singapur eint auch das Bestreben, das 500 Millionen Euro umfassende bilaterale Handelsvolumen weiter auszubauen. Einen Schub könnte diesbezüglich das EU-Singapur-Freihandelsabkommen geben, das am Rande des EU-Asien-Gipfels in Brüssel unterzeichnet werden soll.

Singapur spielt derzeit auch eine wichtige politische Rolle in Asien, führt es doch den Vorsitz in der bedeutendsten Wirtschaftsgemeinschaft des Kontinents, dem Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN). Am Donnerstag und Freitag kommen in Brüssel Vertreter von 51 europäischen und asiatischen Staaten zum EU-Asien-Gipfel (ASEM) zusammen. Kurz und Lee werden auch über den Gipfel der beiden Wirtschaftsregionen sprechen, die zusammen 60 Prozent der globalen Wirtschaftskraft, der Weltbevölkerung und des Welthandels ausmachen.

"Wenn die 51 ASEM-Partnerstaaten gemeinsam an einem Strang ziehen, dann ist es auch möglich, global gemeinsam etwas zu bewegen", betonte der Kanzler, dessen Land noch bis Jahresende den EU-Ratsvorsitz inne hat. Konkret nannte er Bedrohungen wie den Klimawandel und die Cyberkriminalität. Singapur will bei dem Gipfel mit der EU auch ein Investitionsschutzabkommen sowie ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen unterfertigen.

Faßmann: Nicht "eins zu eins" vergleichbar

Kurz, Schramböck, Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) und Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hatten sich bei einem gemeinsamen Singapur-Besuch im August beeindruckt von dem Stadtstaat gezeigt, der weltweit mit seinen fleißigen Schülern Schlagzeilen macht. Faßmann wies aber mit Blick auf das gute Abschneiden Singapurs in Bildungsrankings wie PISA darauf hin, dass man die Dinge nicht "eins zu eins" von anderen Kulturen und Ländern nach Österreich übertragen könne.

Bildungs- und Gesundheitsdaten sind auch prominent in den "Human Capital Index" der Weltbank eingeflossen. Dieser Index misst, wie viel Prozent des optimalmöglichen Wohlstandspotenzials bezogen auf das Bruttoinlandsprodukts von einem Land ausgeschöpft werden. Oder anders formuliert: Die Rangliste soll zeigen, welche Länder für ihre Kinder das Maximum an dessen herausholen, was auf Basis der jeweiligen Wirtschaftskraft möglich ist. Während ein in Afghanistan geborenes Kind wegen mangelnder Bildung und Gesundheitsvorsorge nur 39 Prozent des Potenzials ausschöpfen kann, sind es im Siegerland Singapur 88 Prozent. Österreich liegt mit 79 Prozent auf dem elften Platz, was die fünftbeste Platzierung eines EU-Staates ist.

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