Erneut Ausgangssperre in der Stadt Cizre

Zusammenstöße in Cizre.
Neue Sperre gilt bis auf Weiteres. Acht Tote bei Konflikt zwischen Kurden und Polizei.

In der Türkei haben die Behörden nur 36 Stunden nach Aufhebung der international kritisierten Ausgangssperre in Cizre ein erneutes Ausgehverbot über die mehrheitlich von Kurden bewohnte Stadt verhängt. Die neue Sperre sollte um 19.00 Uhr (Ortszeit/18.00 MESZ) am Sonntag in Kraft treten und bis auf Weiteres gelten, meldete die Nachrichtenagentur DHA.

Das vorherige Ausgehverbot war am 4. September nach Zusammenstößen mit der Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans ( PKK) verhängt worden. Die mehr als 100.000 Bewohner der Stadt durften fast neun Tage lang ihre Häuser nicht verlassen. Die Behörden hatten die Ausgangssperre am Samstag in der Früh um 07.00 Uhr (Ortszeit) vorübergehend aufgehoben

Acht Tote

In der Türkei sind im Konflikt zwischen kurdischen Aufständischen und Sicherheitskräften am Sonntag acht Menschen ums Leben gekommen.

Zwei Polizisten starben nach Angaben von Sicherheitskräften, als eine Autobombe in der Nähe ihres Postens in der Provinz Sirnak detonierte. Ein Polizist wurde bei einem Angriff von Kämpfern der verbotenen militanten Organisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Silvan getötet.

Im Zentrum der größten Stadt in der Region, Diyarbakir, wurde eine Ausgangssperre verhängt. Als Reaktion auf den Anschlag hätten türkische Sicherheitskräfte eine Bergregion angegriffen, in die sich PKK-Kämpfer zurückgezogen hätten, hieß es von türkischer Seite. Dabei seien fünf Aufständische getötet worden.

In der Türkei starben seit Ende des Waffenstillstands mit der PKK im Juli mehr als 100 Polizisten und Soldaten, Hunderte Aufständische wurden getötet. Die Türkei bombardiert auch PKK-Lager im Nordirak. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kündigte an, so lange zu kämpfen, "bis kein Terrorist übrig ist".

Anfang November finden in der Türkei vorgezogene Parlamentswahlen statt. Beim Urnengang im Juni gewann die prokurdische Opposition erstmals genügend Stimmen für den Einzug ins Parlament und beendete so die mehr als ein Jahrzehnt andauernde Ein-Parteien-Herrschaft von Erdogans islamisch-konservativer AKP.

Manche Experten halten daher die Aufkündigung des Friedensprozesses mit der PKK und das harte Vorgehen Ankaras für innenpolitisch motiviert und fürchten, dass das den Kampf gegen die Extremistenmiliz IS ("Islamischer Staat") in Syrien und dem Irak schwächen könnte. Kurdische Kämpfer leisten im Irak und Syrien Widerstand gegen die Islamisten.

Steinmeier in Sorge

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, er verfolge mit Sorge von Woche zu Woche eine weitere Eskalation der Gewalt. "Bei allem Verständnis für eine angemessene Reaktion auf terroristische Angriffe hoffe ich doch, dass die Regierung in Ankara sich darum bemüht, die Lage zu beruhigen und auf Überreaktionen verzichtet", sagte er der Funke-Mediengruppe. Bis zu 100 Soldaten der deutschen Bundeswehr bilden im Nordirak unter anderem kurdische Kämpfer aus. Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will nun den Einsatz der Bundeswehr ausweiten. Die Bundeswehr sei bereit, die erfolgreiche Arbeit in den Kurdengebieten auch mit der irakischen Zentralregierung fortzusetzen, sagte die CDU-Politikerin dem "Spiegel". Erste Schritte seien bereits getan.

Der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu hält für den "Kampf gegen den Terrorismus" und zur Bewältigung der "wirtschaftlichen Herausforderungen" eine Ein-Parteien-Regierung für notwendig. Dies sagte er am Samstag auf dem Parteitag seiner Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) mit Blick auf die vorgezogene Parlamentswahl am 1. November. Der Parteitag bestätigte Davutoglu einhellig als AKP-Chef.

Tränengas gegen Demonstranten in Istanbul

Unterdessen ist die türkische Polizei am Sonntag mit Tränengas und Wasserwerfern gegen pro-kurdische Demonstranten vorgegangen, die sich im Zentrum von Istanbul versammelt hatten. Das berichtete ein dpa-Reporter an Ort und Stelle.

Die Demonstranten gingen die zentrale Einkaufsstraße Istiklal entlang und skandierten regierungskritische Slogans. Einige trugen Banner mit dem Wort "Frieden". Was genau der Auslöser für den Polizeieinsatz war, war zunächst unklar.

In der Türkei eskaliert der Konflikt zwischen der Regierung und der kurdischen Untergrundorganisation PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) zusehends. Seit Wochen kommt es fast täglich zu tödlichen Anschlägen und Gefechten. Die Türkei ist seit 1984 in einen bewaffneten Konflikt mit der PKK verwickelt. Ein zwei Jahre andauernder Waffenstillstand war im Juli aufgekündigt worden.

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