Irak-Krieg: Heftige Kritik an Blairs Regierung

US-Präsident George W. Bush und der britische Premierminister Tony Blair in Camp David im September 2002
Außerdem habe es keine ausreichenden Pläne für die Besatzung gegeben. Die Kommission recherchierte sieben Jahre lang.

Die britische Untersuchungskommission zum Irak-Krieg hat die Entscheidung der damaligen Regierung unter Premierminister Tony Blair zur Beteiligung an der US-geführten Invasion 2003 am Mittwoch als voreilig kritisiert. Die politische Entscheidung sei gefallen, bevor alle "friedlichen Optionen für eine Entwaffnung" des Irak unter Machthaber Saddam Hussein ausgeschöpft worden seien.

Blair habe sich auf falsche Geheimdienstinformationen verlassen. Zudem seien die Pläne für die Nachkriegszeit "völlig unzureichend" gewesen, kritisierte der Kommissionsvorsitzende John Chilcot bei der Vorstellung des Berichts in London. "Ein Militäreinsatz war damals nicht das letztmögliche Mittel", sagte der ehemalige Diplomat, nach dem auch die Kommission benannt ist. Dennoch habe Blair dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush Gefolgschaft versprochen, "was auch geschehen möge". Für die Nachkriegsphase gelte: "Trotz ausdrücklicher Warnungen wurden die Folgen der Invasion unterschätzt. Die Planungen und Vorbereitungen für einen Irak nach Saddam waren völlig unzureichend."

Konkret kommt die Kommission zu dem Schluss, dass keine unmittelbare Bedrohung durch Saddam Hussein bestanden habe. Die Strategie des "Containment", der Eindämmung auf diplomatischer und wirtschaftlicher Ebene, hätte noch für einige Zeit weitergeführt werden können. Weiters sei die Gefahr durch die vermuteten Massenvernichtungswaffen mit einer Gewissheit kommuniziert worden, die nicht angebracht gewesen sei. Schließlich seien auch die Konsequenzen der Invasion unterschätzt worden. Das führte laut Bericht dazu, dass die Vorbereitung auf die Zeit danach mangelhaft war.

Irak-Krieg: Heftige Kritik an Blairs Regierung
Auszug aus einem Brief Tony Blairs an George W. Bush im Juli 2002

Blair glaubt sich entlastet

Tony Blair sieht sich in einer ersten Reaktion durch einen Untersuchungsbericht entlastet. "Dieser Bericht sollte Vorwürfe der Böswilligkeit, Lügen oder Täuschung endgültig ausräumen", schrieb der frühere Labour-Politiker am Mittwoch.

Er habe die Entscheidung, an der Seite der USA militärisch gegen den irakischen Machthaber Saddam Hussein vorzugehen, "in gutem Glauben" getroffen und für das Beste für sein Land gehalten, so Blair in der von seinem Büro veröffentlichten Reaktion.

Wenig später trat Blair bei einer Pressekonferenz auch vor die Kameras. Mit brüchiger Stimme und den Tränen nah beschrieb er, wie schwer ihm die Entscheidung für den Krieg gefallen sei und dass er nur das Beste gewollt habe für sein Land. Die Welt sei ohne Saddam Hussein ein besserer Ort, sagte er, die Soldaten seien nicht umsonst gestorben. Er übernehme die "volle Verantwortung" für die Fehler - habe aber nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.

Juristisch hat der Ex-Premier wohl keine Folgen zu befürchten. Politisch ist das Ergebnis vor allem für Labour heikel. Die Partei war 2003 in der Kriegsfrage tief gespalten. Jeremy Corbyn, der aktuelle Parteichef, war ein erbitterter Gegner des Militäreinsatzes. Allerdings verzichtete er am Mittwoch darauf, Blair beim Namen oder gar einen Kriegsverbrecher zu nennen, wie manche erwartet hatten - und vermied damit noch größeren Streit, als nach dem Brexit-Votum der Briten bei Labour ohnehin schon herrscht.

Cameron zurückhaltend

Der britische Premierminister David Cameron hat zu Mittag zum Untersuchungsbericht Stellung genommen. Er merkte an, dass man aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Geheimdienstinformationen die Notwendigkeit des Krieges auch infrage stellen hätte können. Außerdem hätten die Geheimdienste die Gegenthese zur Gefährlichkeit des irakischen Regimes nicht ernsthaft ins Auge gefasst. Die Regierung habe im Glauben gehandelt, dass der Irak tatsächlich im Besitz von Massenvernichtungswaffen war und daher eine Gefahr darstellte. Der Bericht beschuldige Blair daher auch nicht, Parlament und Öffentlichkeit absichtlich in die Irre geführt zu haben.

Deutliche Worte fand der Premier zur Ausrüstung der britischen Streikräfte nach der Invasion. Die Entscheidung, mangelhaft ausgerüstete Truppen in den Kampf zu schicken, sei "inakzeptabel" gewesen.

Sieben Jahre Recherche

Die Chilcot-Kommission entstand im Jahr 2009 noch unter dem Premierminister Gordon Brown. Sie sollte nach dem Abzug der britischen Truppen aus dem Irak die Umstände des Kriegseintritts Großbritanniens und die Besatzungszeit analysieren. Nach sieben Jahren hat die Kommission nun ihren 12 Bände und rund 2,6 Millionen Wörter umfassenden Endbericht publiziert.

Irak-Krieg: Heftige Kritik an Blairs Regierung
A detail of the Iraq Inquiry Report due to be presented by Sir John Chilcot at the Queen Elizabeth II Centre in Westminster, London, Britain July 6, 2016. REUTERS/ Dan Kitwood/Pool TPX IMAGES OF THE DAY
Nun beginnt die Auswertung des Berichts in der Öffentlichkeit. Im Zentrum werden weiterhin die Fragen stehen, ob sich Blair von der US-Regierung unter George W. Bush allzu leichtfertig zum Kriegseintritt überreden ließ. Auch, wie wichtige Geheimdienstinformationen innerhalb der Regierung bewertet wurden, Informationen, die sich später als fehlerhaft bis falsch erwiesen. Nicht zuletzt wird die Besatzungszeit und das Managment in dieser Phase, ebenfalls Teil des Berichts, im Fokus stehen.

Die Invasion in den Irak war heftig umstritten, weil sie nicht durch ein klares UN-Sicherheitsratsmandat gedeckt war. Angebliche Massenvernichtungswaffen wurden im Irak nie gefunden. Bereits 2004 kam ein britischer Bericht zu dem Schluss, dass Blair die "Beweise" der Geheimdienste für die Existenz dieser Waffen im Parlament aufgebauscht habe.

Der Bericht zum Download auf den Seiten der Kommission

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