Kiew: Armee griff Panzer-Konvoi an

Eine Kolonne von Militärfahrzeugen steht auf einer Straße.
Angeblich sind russische Militärfahrzeuge in die Ukraine vorgedrungen. Die Ukraine reagierte.

Ukrainische Truppen haben nach Militärangaben eine russische Fahrzeugkolonne auf ukrainischem Boden angegriffen. Teile des Konvois mit gepanzerten Fahrzeugen seien zerstört worden, sagte ein Sprecher der ukrainischen Armee am Freitag. Zuvor waren in den britischen Medien The Guardian und The Telegraph Berichte aufgetaucht, wonach russische Militärfahrzeuge offenbar beim Eindringen auf ukrainisches Territorium beobachtet wurden. Ein Konvoi aus 23 gepanzerten Mannschaftstransportwagen sei gemeinsam mit Tanklastwagen und anderen Versorgungsfahrzeugen am späten Donnerstagabend über die Grenze zum Nachbarland gefahren. An allen Fahrzeugen seien Kennzeichen des russischen Militärs angebracht gewesen. Es sei zwar unwahrscheinlich, dass es sich um eine großangelegte russische Invasion handle. Es gebe damit aber einen klaren Beleg, dass russische Truppen in der Ukraine aktiv seien, berichtete die Zeitungen.

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat die Medienberichte später bestätigt. "In der vergangenen Nacht haben wir einen russischen Einfall erlebt, eine Überschreitung der ukrainischen Grenze", sagte Rasmussen. "Dies bestätigt nur die Tatsache, dass wir einen dauernden Fluss von Waffen und Kämpfern aus Russland in die Ostukraine sehen". "Und es ist eine deutliche Demonstration der anhaltenden russischen Beteiligung an der Destabilisierung der Ostukraine."

Sebastian Kurz im Gespräch mit einer Frau.
APA19824736-2_15082014 - BRÜSSEL - EUROPÄISCHE UNION: (v.l.) Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) im Gespräch mit Italiens Außenministerin Federica Mogherini am Freitag, 15. August 2014, anl. eines Sondertreffens der EU-Außenminister zu den Krisen im Irak und in der Ukraine in Brüssel. +++ WIR WEISEN AUSDRÜCKLICH DARAUF HIN, DASS EINE VERWENDUNG DES BILDES AUS MEDIEN- UND/ODER URHEBERRECHTLICHEN GRÜNDEN AUSSCHLIESSLICH IM ZUSAMMENHANG MIT DEM ANGEFÜHRTEN ZWECK ERFOLGEN DARF - VOLLSTÄNDIGE COPYRIGHTNENNUNG VERPFLICHTEND +++ FOTO: APA/PHOTONEWS.AT/GEORGES SCHNEIDER/PHOTONEWS.AT/GEORGES SCHNEIDER
Auch nach Worten des schwedischen Außenministers Carl Bildt gibt es Beweise. "Es gibt konkrete fotografische Beweise von russischen Armeefahrzeugen, die in die Ukraine eingedrungen sind", sagte Bildt. "Es ist ein grober Verstoß". Die EU müsse zuerst ihre Einschätzung der Lage diskutieren, "dann müssen wir sehr klar sein in unserer politischen Botschaft", sagte Bildt. Auch Litauens Außenminister Linas Linkevicius zeigte sich "sehr besorgt". Österreichs Außenminister Sebastian Kurz sagte zu diesen Berichten, er "hoffe, dass sich diese Meldungen nicht bestätigen".

Russland bestritt auch am Abend noch angebliche Gefechte seiner Einheiten in der Ukraine. "Eine russische Militärkolonne, die die Grenze überquert haben soll, existiert nicht", sagte Generalmajor Igor Konaschenkow. "Weder am Tag, noch in der Nacht" sei ein solcher Konvoi auf ausländisches Gebiet gefahren. "Aber es ist immer noch besser, die ukrainische Artillerie schießt auf ein Phantom und nicht auf Flüchtlinge oder die eigenen Soldaten", sagte Konaschenkow. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte behauptet, die Armee habe in der Nacht eingedrungene russische Militärfahrzeuge zerstört.

Die diplomatischen Bemühungen gehen indessen am Sonntag in Berlin weiter: Die Außenminister der Ukraine, Pawel Klimkin, sein russisches Pendant Sergej Lawrow und die Kollegen aus Frankreich, Laurent Fabius, und Deutschland, Frank-Walter Steinmeier, kommen zu Gesprächen zusammen.

Hilfe für Bevölkerung

Für die notleidenden Menschen in der umkämpften Region rückt unterdessen Hilfe näher. Erste ukrainische Regierungs-Lastwagen mit Medikamenten und Lebensmitteln trafen am Donnerstagabend an einem Sammelpunkt nördlich von Lugansk ein.

Ein bewaffneter Hubschrauber überfliegt eine Reihe weißer Militärlastwagen.
epa04353316 Russian military helicopter in the sky over Russian convoy carrying humanitarian aid for residents in rebel eastern Ukrainian regions standing in a field outside the town of Kamensk-Shakhtinsky in Rostov region, about 30 km from the Russian-Ukrainian border, Russia, 14 August 2014. The convoy moves through Russian territory in full coordination with and under the aegis of the Red Cross, according to Russian authorities. Russia named absurd suspicions that Moscow might use humanitarian convoy as a cloak of an armed invasion in Ukraine. EPA/YURI KOCHETKOV
Auch bei dem nun inzwischen dritten Konvoi - der seit drei Tagen anrollende russische Hilfskonvoi - dürfte es Fortschritte geben: Russland und die Ukraine hätten eine Einigung erzielt, hieß es am Freitag aus Kiew. Die etwa 280 russischen Lastwagen waren an der Grenze wegen Unstimmigkeiten über die Abfertigung zum Stehen gekommen. Ukrainische Grenzbeamte hatten nach Angaben des russischen Grenzschutzes damit begonnen, die Ladung zu überprüfen. Der Konvoi mit 2.000 Tonnen Hilfsgütern hat ebenfalls Lugansk als Ziel, das mit mehr als 200.000 Einwohnern seit fast zwei Wochen ohne Strom und Wasser auskommen muss.

Bomben auf Donezk

Die Kämpfe in der Ostukraine nahmen indes erneut an Härte zu. In Donezk sind nach Angaben der Stadtverwaltung seit Donnerstag elf Zivilisten getötet worden. Acht weitere Bewohner seien verletzt worden, hieß es in einer Erklärung des Rathauses. Besonders heftig sei in den Bezirken Petrowski und Leninski gekämpft worden. Beobachter sprachen von einem der verlustreichsten Tage seit Beginn der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Regierung gegen die Separatisten Mitte April. Die Regierungstruppen bombardierten Donezk, sagte Separatistenanführer Andrej Purgin. Regierungstruppen und Aufständische tauschten je 26 Gefangene aus.

Kremlchef Putin forderte bei einem Treffen mit Ministern und Abgeordneten auf der von der Ukraine annektierten Schwarzmeerhalbinsel Krim ein Ende des Tötens in der Ostukraine. Die Lage in der Ukraine sei eine humanitäre Katastrophe. "Russland wird alles in seiner Macht stehende tun, um die Kämpfe so schnell wie möglich zu beenden", betonte er.

Der Separatistenführer Igor Strelkow zog sich indes aus der Führung der Aufständischen zurück. Der gebürtige Russe war "Verteidigungsminister" der selbst ernannten "Volksrepublik Donezk". Er gilt als Schlüsselfigur in den Kämpfen.

Eine Karte der Ostukraine, die die Rebellengebiete und die Absturzstelle MH17 zeigt.
Karte Ostukraine, von Rebellen derzeit und vor dem 18. Juni kontrollierte Gebiete Grafik 0959-14-Ukraine.ai, Format 88 x 102 mm

Eine der Folgen des Ukraine-Konflikts ist ein schwerer Handelsstreit zwischen dem Westen und Russland. Die beiden Seiten haben einander gegenseitig mit Strafmaßnahmen belegt.

Nach Angaben der EU-Kommission planen die Präsidenten Russlands und der Ukraine weitere Gespräche mit der Kommission. Dabei solle es unter anderem um Fragen um die Versorgung mit russischem Gas via die Ukraine und eine Stabilisierung der politischen Situation gehen, teilte die Kommission nach einem Telefonat ihres Chefs Jose Manuel Barroso mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Donnerstagabend mit. Ein Datum nannte die EU-Kommission nicht.

Das ukrainische Parlament hatte zuvor ein Sanktionspaket gegen Russland in zweiter Lesung verabschiedet. Unklar war zunächst, ob davon auch die Durchleitung russischen Erdgases nach Westeuropa betroffen ist. Die Ukraine erließ zudem ein Überflugverbot gegen die russischen Gesellschaften Aeroflot und Transaero. Die Entscheidung Kiews ist eine Reaktion auf Sanktionen Moskaus. Der Schritt hat aber nichts zu tun mit den vom Parlament beschlossenen Strafmaßnahmen.

Orban gegen Sanktionen

Der slowakische Premier Robert Fico hat indes in seiner Kritik an den EU-Sanktionen gegen Russland Unterstützung von seinem ungarischen Amtskollegen Viktor Orban erhalten. Erst stimme mit Fico überein, dass "die Sanktionen uns mehr treffen als Russland" sagte Orban laut ungarischer Nachrichtenagentur MTI am Freitagmorgen gegenüber einem Radiosender. "Wir haben uns selbst in den Fuß geschossen", fügte der Premier hinzu. Er werde sich innerhalb der EU nach Partnern umsehen, um die EU-Sanktionspolitik zu ändern, kündigte Orban weiter an.

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