Keine EU-Datenbank für Verdächtige

Spezialeinheiten der belgischen Polizei während einer Razzia am Montag in Brüssel: Einige der Attentäter von Paris waren polizeibekannt
Die Attentäter waren den Behörden teils seit Jahren bekannt – warum wurden sie nicht gestoppt?

Wenn es zu spät ist, und alle mit der Weisheit der Rückschau gesegnet sind, geht es nach Anschlägen wie jenen in Paris auch immer um die Frage: Hätten sie verhindert werden können, ja müssen? Haben die Behörden etwas gewusst, aber nichts gemacht?

Die türkischen Behörden wollen die französischen Kollegen im letzten Jahr zwei Mal auf Omar Ismail Mostefai, einen der Selbstmordattentäter von Paris, aufmerksam gemacht haben. Den Franzosen selbst war der radikalisierte Mostefai schon vor Jahren aufgefallen.

Der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge, Abdelhamid Abaaoud, war in Belgien offenbar seit Jahren polizeibekannt.

Samy Amimour, einer der drei Angreifer auf die Konzerhalle Bataclan, stand vor zwei Jahren in Frankreich sogar schon unter richterlicher Überwachung.

Wieso haben die Geheimdienste sie nicht gestoppt?

Große Bedrohung

Ein Blick auf die vereitelten Taten zeigt, welcher Herausforderung die Behörden gegenüberstehen – und auch, dass ihre Arbeit regelmäßig erfolgreich ist: Von Jänner bis November wurden in der EU mindestens 19 Anschläge bzw. Anschlagsserien verhindert. 66 Islamisten, die mutmaßlich Attentate vorbereiteten, wurden verhaftet (einer davon in Österreich), zwei getötet.

Allein in Frankreich stehen laut Informationen der Zeitung Le Figaro mittlerweile mehr als 11.000 Personen in der Datenbank für radikalisierte Personen, die von den Geheimdiensten geführt wird. Um sie alle systematisch zu überwachen, wären Zehntausende Beamte nötig, was einer Vervielfachung der aktuellen Geheimdienst-Ressourcen entsprechen würde.

An den Befugnissen allein dürfte es nicht liegen: Gerade in Frankreich und Belgien wurden die Rechte der Dienste zuletzt erweitert.

Teils gibt es aber auch gesetzliche Hürden. Am Beispiel Österreichs, wie es Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums, gegenüber dem KURIER skizziert: Hierzulande gibt es rund 70 Rückkehrer aus Syrien, die als gefährlich eingeschätzt werden. Sie werden überwacht – aber nicht rund um die Uhr. Verhalten sie sich aber nicht "durchgängig erkennbar konspirativ", so Grundböck, dann hat man kaum Handhabe – und nach sechs Monaten müssen die Daten der Ermittlungen wieder gelöscht werden. Taucht also jemand für ein paar Monate unter, sind seine Chancen gut, dass die Behörden danach wieder bei null anfangen müssen – selbst wenn sie ihn vorher schon einmal im Visier hatten.

Keine Kooperation

Damit die Behörden vor einem Anschlag eingreifen können, reicht es freilich nicht, dass jemand auf einer Liste von Verdächtigen steht. Es muss einen konkreten Verdacht geben – eine Präventivhaft, nur weil jemand als radikalisiert gilt, gibt es nicht. Manchmal geht sich das aus: In Belgien wurde im Jänner eine Terror-Zelle ausgehoben, die laut Ermittlern "wenige Tage" davor stand, Anschläge auf Polizeistationen und öffentliche Einrichtungen zu verüben.

Woran noch gearbeitet werden könnte: Es gibt in der EU zwar offene Grenzen – aber keine gemeinsame Datenbank für Terror-Verdächtige. "Die Daten-Übermittlung findet nur anlassbezogen statt", sagt Grundböck. Das könnte den Attentätern von Paris, die teils in Brüssel gewohnt haben, entgegengekommen sein.

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