Juncker will fairen Deal mit London

Jean-Claude Juncker spricht vor einem Hintergrund mit EU-Sternen.
Für Jean-Claude Juncker dürfe man den Sieg nicht verspielen. Mit London werde man sich einigen.

Jean-Claude Juncker hat sich mit deutlichen Worten zu dem Streit um die Besetzung von EU-Spitzenposten gemeldet. Der Spitzenkandidat, der nach der Europawahl stärksten konservativ-christdemokratischen EVP-Fraktion, warnte nach Angaben von Teilnehmern am Donnerstag bei einer Aussprache mit den EU-Abgeordneten seiner Europäischen Volkspartei (EVP) in Brüssel davor, dass die Partei ihren Sieg verspiele.

Die deutsche CDU-Abgeordnete Inge Gräßle zitierte Juncker auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit den Worten: "Wir müssen aufpassen, dass wir den Sieg nicht verspielen."

Abkommen nicht um jeden Preis

Gegenüber seinem britischen Gegenspieler David Cameron gibt sich der Luxemburger kämpferisch. Nach Angaben des EVP-Pressedienstes werde der konservative Spitzenkandidat ein faires Abkommen mit London anstreben, aber "nicht um jeden Preis". "Ich bin nicht bereit zu kapitulieren", sagte Juncker dem Vernehmen nach. Cameron, so der Luxemburger, habe nicht das Recht, seinen Willen allen anderen aufzuzwingen.

Seitenhieb auf Großbritannien

Juncker machte nach Angaben von Teilnehmern klar, dass er für eine engere Koordinierung der Wirtschafts- und Währungspolitik der Eurozone eintrete. Diejenigen, die beim Euro nicht dabei seien, hätten "kein Recht, uns zu sagen, was wir zu tun haben", sagte Juncker in einem weiteren Seitenhieb auf Großbritannien.

Den Angaben zufolge beklagte Juncker, dass in Großbritannien eine "Schmutzkampagne" der Presse gegen ihn laufe. So würden ihn etwa Fotografen von den Bäumen seiner Nachbarn aus belagern.

Rasche Entscheidung

Der EVP-Spitzenkandidat mahnte die Staats- und Regierungschefs zugleich zu einer raschen Entscheidung. Sollte der Europäische Rat trotz der klaren Sachlage keine Entscheidung fällen, würden zwischen dem EU-Gipfel Ende Juni und der geplanten Wahl des nächsten EU-Kommissionspräsidenten durch das Europaparlament Mitte Juli nur zehn Tage verbleiben, um das nächste EU-Kommissionsprogramm zu erstellen.

Angesichts des Zeitdruckes wolle er, Juncker, bereits jetzt informell mit den Fraktionen im EU-Parlament vorarbeiten. Juncker betonte vor den Abgeordneten, dass das EU-Kommissionsprogramm eine Sache der Kommission und des Parlamentes sei, und entgegen der Berichterstattung in manchen Medien nicht zu den Aufgaben des EU-Rates zähle. "Ich werde niemals Generalsekretär des Rates sein", sagte der Luxemburger nach Angaben von Teilnehmern.

Juncker: "Mit Rassisten redet man nicht"

Juncker wolle eine breite Koalition mit Unterstützung von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen im EU-Parlament bauen, berichteten Teilnehmer. Eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten habe er jedoch mit den folgenden Worten abgelehnt: "Mit Rassisten redet man nicht, sondern man bekämpft sie. Populisten bekämpft man nicht durch Nachäffen, sondern durch Widerstand in der Sache."

Juncker sagte auch, dass ihm von den europäischen Hauptstädten bereits Namen als Vorschläge für Kommissare gemacht wurden, aber nur vier bis fünf Frauen darunter seien, was weniger als bisher sei. Wegen einer unausgewogenen Zusammensetzung könnte die EU-Kommission vom EU-Parlament abgelehnt werden, warnte der Luxemburger.

Standing Ovations für Juncker

Die EVP-Fraktion stellte sich erneut geschlossen hinter Juncker als Kandidat für den Kommissionspräsidenten und habe Juncker zum Abschluss der Sitzung mit "Standing Ovations" bedacht, hieß es in Teilnehmerkreisen. Es habe in der Diskussion keine einzige Wortmeldung gegen Juncker gegeben.

Der scheidende EVP-Chef Joseph Daul sagte den Angaben zufolge: "Ich will Camerons Europa nicht." Es wäre "unzulässig", wenn der britische Premier seine innenpolitischen Probleme auf Kosten Europas regle.

"Die europäische Demokratie darf sich nicht vom britischen Regierungschef Cameron erpressen lassen", betonte auch der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Othmar Karas, in einer Aussendung. "Wir wählen nur Juncker", bekräftigte der ÖVP-Delegationsleiter.

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder und die SPÖ-EU-Delegation haben sich am Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz zu den Vorhaben der österreichischen SPÖ-EU-Abgeordneten klar dafür ausgesprochen, dass Jean-Claude Juncker Präsident der EU-Kommission werden soll. Als "Posse" bezeichnete Schieder die derzeitige Diskussion des Europäischen Rats um den Vorschlag des Kommissionspräsidenten an das EU-Parlament.

Versprechen muss man halten

Eine der Leitlinien der SPÖ für die Arbeit im EU-Parlament sei der Einsatz für ein demokratisches Europa. Dazu gehöre auch, "das zu halten, was vor der Wahl versprochen wurde - nämlich, dass der Spitzenkandidat der stärksten Fraktion im EU-Parlament Kommissionspräsident werden soll.

Juncker wurde von den Wählerinnen und Wählern mit einer Mehrheit ausgestattet". SPÖ-EU-Delegationsleiter Jörg Leichtfried betonte: "Für die S&D-Fraktion kommt nur Juncker als Kommissionspräsident in Frage." Diesen Standpunkt vertrete auch die EVP-Fraktion. "Die Spielchen einiger Staats- und Regierungschefs sind verantwortungslos, undemokratisch und kontraproduktiv. Sie riskieren eine veritable Verfassungskrise, wenn sie sich nach Querulanten wie Cameron richten", warnte Leichtfried.

Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit

Zwei Bedingungen für die Zustimmung der S&D-Fraktion für Juncker seien, dass er sich für Steuergerechtigkeit und den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit einsetze, sagte Leichtfried, denn es gehe auch um Inhalte, nicht nur um Personen. Dass Juncker sich dazu bekenne, sei zu erwarten.

Das letzte Wort in der Frage des Kommissionspräsidenten hat das EU-Parlament. Wird Juncker nicht nominiert, werde eine Mehrheit im EU-Parlament jeden anderen Kandidaten ablehnen, kündigte der SPÖ-EU-Delegationsleiter an. Der Rat solle die demokratisch gefällte Entscheidung daher akzeptieren statt eine Verfassungskrise in Kauf zu nehmen.

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