„Sie haben jemanden, den sie auf der Straße nicht töten konnten, ins Gefängnis gebracht und dort getötet“, kommentiert die iranische Pop-Diva Googosh aus dem Exil die Hinrichtung von Mohsen Shekari. Der 23-Jährige war der erste Demonstrant, der seit Beginn der Protestbewegung offiziell hingerichtet wurde. Die Familie von Shekari wurde bis zuletzt in dem Glauben gelassen, er könne in Berufung gehen, wenn sie mit seinem Fall nicht an die Öffentlichkeit geht. Sie blieb still. 18 Tage nach seinem Schauprozess ohne eigenen Anwalt wurde er im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran erhängt. Das ist sogar für iranische Verhältnisse sehr schnell.
Sein Zellengenosse berichtet, dass Shekari selbst bis zur Hinrichtung an seine Freilassung glaubte. Im Gefängnis sprach er ständig über seine Barista-Passion und über sein Lieblingscomputerspiel: „God of War“ (Gott des Krieges). In dem mythischen Abenteuer-Spiel müssen Vater und Sohn nordische Götter und Bestien bekämpfen, um ihre Familie zu beschützen.
Dieses Video zeigt Shekaris Familie, kurz nachdem sie von seiner Exekution erfuhr:
Die Hinrichtung von Shekari war die Antwort des Mullah-Regimes auf den steigenden Druck. Von Montag bis Mittwoch gab es landesweite Streiks – bis zu 80 Prozent des Landes sollen stillgestanden sein. Viele Ladenbesitzer sollen von den Milizen unter Druck gesetzt worden sein, zu öffnen. Mancherorts wurden geschlossene Geschäfte für die spätere Verfolgung markiert.
Schüsse auf Genitalien
Unterdessen bestätigte der britische Guardian bisherige Berichte zu den brutalen Angriffen auf die Revolutionsbewegung. Ärzten und Krankenschwestern ist es verboten, verletzte Demonstranten zu behandeln, doch bei den geheimen Verarztungen machen alle dieselben Beobachtungen: Frauen und Männer werden unterschiedlich verwundet. Während Männer vorwiegend auf den Beinen, am Rücken und am Gesäß Verletzungen aufweisen, schießen die Milizen bei Frauen offenbar vorzugsweise ins Gesicht oder in Richtung der Genitalien. Aus Angst vor Verhaftungen werden die Verwundeten oft im Dunkeln in Wohnungen behandelt. Viele verlieren durch Schrotkugeln außerdem ihr Augenlicht (der KURIER berichtete).
Todesurteile
Inzwischen warnen Beobachter vor weiteren Hinrichtungen. So wurde etwa der Radiologe Hamid Gharahassanlou zum Tode verurteilt, der mit seiner Frau an Protesten teilgenommen hatte und tags darauf vor den Augen seiner Kinder verprügelt und verhaftet worden sein soll.
Wegen „Moharebe“, also dem Kampf gegen Gott, droht auch systemkritischen Rappern wie dem kurdischen Iraner Saman Yasin oder auch Toomaj Salehi die Todesstrafe. Schon die Mutter von Letzterem soll in einem iranischen Gefängnis ums Leben gekommen sein, als er ein kleines Kind war. Auf der Hinrichtungsliste sollen auch Minderjährige stehen.
Irans Regierung hält unterdessen an dem harten Kurs gegen die „Unruhestifter“ fest und bezeichnet die internationale Kritik an der Hinrichtung als „heuchlerische Belehrung“. Außenminister Hussein Amirabdollahian wirft Deutschland Terrorförderung vor, nachdem seine deutsche Amtskollegin Annalena Baerbock die Hinrichtung als menschenverachtend kritisiert und eine harte Reaktion der EU angekündigt hat.
In den sozialen Medien wurden inzwischen die Namen des Staatsanwalts und des Richters veröffentlicht, die für Shekaris Todesurteil verantwortlich sind - gemeinsam mit ihrer Adresse, Telefonnummer und dem Autokennzeichen. Unter den Kommentaren findet man vor allem ein Wort: "Lauf!"
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