Irak: Geistlicher Al-Sadr gewann überraschend Parlamentswahl

Der Geistliche Al-Sadr hat tatsächlich mit seiner Liste die Parlamentswahl im Irak gewonnen.

Der schiitische Geistliche Muktada Al-Sadr hat die Parlamentswahl im Irak gewonnen. Seine Liste Sairun (Wir marschieren) werde 54 der 329 Sitze im Parlament erhalten, teilte die Wahlkommission am frühen Samstagmorgen mit. Auf Platz zwei folgt ein Bündnis des Politikers Hadi Al-Amiri (47 Sitze), das den schiitischen Milizen nahesteht und enge Beziehungen zum benachbarten Iran hat.

Lediglich auf Platz drei kam der amtierende schiitische Regierungschef Haidar Al-Abadi mit seiner Liste (42 Sitze). Dieses Ergebnis hatten zwar bereits Prognosen bereits nach der Wahl vom 12. Mai angedeutet, es gilt aber dennoch als überraschend.

Für die Regierungsbildung ist Al-Sadr auf Koalitionspartner angewiesen. Hinter den Kulissen hat in Bagdad das Ringen um die Macht bereits begonnen. Als ein Partner Al-Sadrs gilt Al-Abadi. In der Vergangenheit hatte der Geistliche erklärt, er könne sich eine weitere Amtszeit Al-Abadis vorstellen. Al-Sadr selbst kann nicht Regierungschef werden, da er bei der Wahl nicht antrat. Er hatte bereits angekündigt, mit einer Regierung aus Fachleuten die ausufernde Korruption im Land zu bekämpfen.

Al-Sadr dankte seinen Wählern für ihr Vertrauen und versprach ihnen, sie nicht zu enttäuschen. "Euer Votum ist eine Ehre", schrieb er in einem Tweet - kurz nachdem das Endergebnis bekannt gegeben worden war. "Der Irak und die Neuerung haben mit euren Stimmen gewonnen, wir werden euch nicht enttäuschen."

Ballot boxes are seen at a warehouse in Baghdad

Wenn die Ergebnisse nach Überprüfung von Beschwerden einiger Kandidaten bestätigt sind, wird das Parlament seinen Präsidenten wählen, dann den Präsidenten für das Land. Der Verfassung zufolge muss der Parlamentspräsident ein Sunnit, der Präsident ein Kurde sein. Im Anschluss wird die größte Liste vom Präsidenten beauftragt, eine Regierung zu bilden. Der Ministerpräsident muss ein Schiit sein.

Es waren die ersten Wahlen, nachdem das Land im vergangenen Jahr seinen Sieg über die Terrormiliz Islamischer Staat erklärt hatte. Die im Irak weitverbreitete Korruption war im Wahlkampf eines der wichtigsten Themen Al-Sadrs. Sie trug entscheidend dazu bei, dass viele Iraker der Abstimmung fernblieben und die Beteiligung auf ein historisches Tief von 44,5 Prozent sank.

Der 44 Jahre alte Al-Sadr gilt als kontroverse Figur. Nach dem Sturz von Langzeitherrscher Saddam Hussein 2003 bekämpfte seine Mahdi-Armee die US-Truppen. In den vergangenen Jahren wandelte er sich zu einem der schärfsten Kritiker des politischen Establishments in Bagdad. Im Wahlkampf forderte der Geistliche Reformen und setzte auf soziale Themen. Für die Wahl ging er ein Bündnis mit den Kommunisten ein.

Schwierige und brisante Regierungsbildung

Nach dem Wahlsieg des schiitischen Geistlichen Moktada al-Sadr im Irak wird eine schwierige Regierungsbildung erwartet. Sadr selbst - ein langjähriger Gegenspieler der USA, der allerdings auch Distanz zum Iran hält - kann nicht Ministerpräsident werden, weil er nicht angetreten war. Als stärkste Kraft im Parlament wird seine Allianz Sairun mit Kommunisten und weiteren weltlichen Kräften jedoch eine zentrale Rolle bei den Verhandlungen spielen. Der Kommandant der iranischen Revolutionsgarden im Ausland, Kassem Soleimani, hält seinerseits politische Gespräche in Bagdad, um die Bildung eines pro-iranischen Kabinetts zu begünstigen. Als Kompromisskandidat könnte Amtsinhaber Haider al-Abadi wieder an die Macht kommen.

Al-Abadis Siegesallianz wurde nach den offiziellen Wahlergebnissen von Samstag drittstärkste Kraft, hinter der Liste Sairun von Sadr und der vom Iran unterstützten Al-Fatih von Hadi al-Amiri. Die Regierung soll eigentlich innerhalb von 90 Tagen gebildet werden, allerdings wurden monatelange Verhandlungen erwartet. Die iranische Regierung hatte vor der Wahl erklärt, sie werde nicht zulassen, dass Sadrs Allianz die Regierung stellt. Der Geistliche hatte Ende vergangenen Jahres Saudi-Arabien besucht, den Erz-Rivalen des Irans in der Region. Sadrs Beziehungen zu den USA sind ebenfalls schwierig: Er hatte nach dem Sturz von Machthaber Saddam Hussein zwei bewaffnete Aufstände gegen die amerikanischen Truppen im Lande geführt. Die USA und der Iran waren beide am Kampf gegen die Extremisten-Miliz Islamischer Staat (IS) im Irak beteiligt.

Sadrs Sieg ist ein Denkzettel für die bisher regierende Elite im Irak. Er hat Korruption und schlechte Regierungsführung zu seinem Thema gemacht und vor allem unter den jungen und mittellosen Irakern viele Anhänger. In einem Tweet schrieb Sadr kurz nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses: "Die Reform ist siegreich und die Korruption nimmt ab." Seine Popularität zieht der Wahlsieger auch aus dem Ansehen seines Vaters Mohammed Sadek al-Sadr. Der Großajatollah war 1999 wegen seines Widerstands gegen Hussein ermordet worden. Nach ihm ist "Sadr-City" benannt, ein Stadtteil im Nordosten Bagdads.
 

Kommentare