Grubenunglück: Wieder Proteste in Istanbul

Die Polizei rückte mit Tränengas und Wasserwerfern an. Bilanz nach dem Unglück: 301 Tote.

Die Polizei in der türkischen Metropole Istanbul ist am Samstagabend gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen. Die Sicherheitskräfte setzten auf der zentralen Einkaufsmeile Istiklal Caddesi Wasserwerfer und Tränengas ein, wie dpa-Reporter berichteten. Hunderte Demonstranten forderten in Sprechchören den Rücktritt der Regierung wegen des verheerenden Grubenunglücks in Soma mit 301 Toten.

Am Samstag hatte die Regierung das Ende der Bergungsarbeiten verkündet. Am Freitag war die Polizei in Soma selber mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Demonstranten vorgegangen. Auch in Istanbul und Izmir war es zu Zusammenstößen gekommen.

Erdogans Ohrfeige

Für zusätzliche Brisanz sorgten Vorwürfe, Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan habe bei einem Besuch in Soma am Mittwoch einen Mann geohrfeigt, der ihn ausgebuht habe (mehr dazu hier). Das von Regierungskritikern als Beleg für den Vorfall gewertete Video ist in der entsprechenden Sequenz allerdings so verwackelt, dass Erdogans Verhalten nicht klar zu erkennen ist. Erdogans Partei AKP wies die Vorwürfe zurück.

Erdogan war bei seinem Besuch in Soma am Mittwoch von einer Menschenmenge ausgebuht und ausgepfiffen worden. Der Ministerpräsident hatte unter anderem die schlechte Sicherheitsbilanz der Kohlebergwerke in der Türkei heruntergespielt und gesagt: "Solche Unfälle passieren ständig." Für Empörung hatte auch Erdogan-Berater Yusuf Yerkel gesorgt, der bei dem Besuch auf einen am Boden liegenden Demonstranten eintrat. Yerkel entschuldigte sich inzwischen.

US-Präsident Barack Obama bot der Türkei Hilfe an. In einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül drückte Obama sein Beileid aus. Welche Hilfe genau er dem Land zukommen lassen wollte, blieb in einer Mitteilung des Weißen Hauses zunächst unklar.

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