Griechenland-Hilfe: Die ersten Milliarden können fließen

Angela Merkel gestikuliert während einer Rede.
Euro-Finanzminister gaben erste Rate aus neuem Programm frei. Zuvor kam grünes Licht aus Berlin.

Am Mittwoch stimmte der deutsche Bundestag in einer Sondersitzung über die neuen Milliardenhilfen für Griechenland ab. Mit großer Mehrheit wurde das dritte Hilfspaket angenommen. 454 Abgeordnete sagten Ja, es gab 113 Gegenstimmen und 18 Enthaltungen. Die Zustimmung galt trotz des Widerstands in der Unionsfraktion von Angela Merkel als sicher. In der Sondersitzung votierten am Mittwoch auch 63 Abgeordnete der Union gegen das dritte Hilfspaket, wie sich aus dem Abstimmungsprotokoll ergibt.

Damit folgten einschließlich der drei Enthaltungen insgesamt 66 Abgeordnete nicht dem Kurs von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel - mehr als erwartet, nachdem bei einer Probeabstimmung am Vorabend nur 56 Abgeordnete die Hilfskredite abgelehnt hatten. 228 Unions-Abgeordnete stimmten dem Hilfspaket zu.

Schäuble: "Entscheidung fällt nicht leicht"

Zuvor hatte noch Finanzminister Schäuble in der Regierungserklärung für ein grünes Licht für die 86 Milliarden Euro an Athen geworben. "Die Entscheidung über ein weiteres Hilfsprogramm für Griechenland fällt nicht leicht", so Schäuble. Die Zustimmung sei aber "im Interesse Griechenlands und im Interesse Europas“.

Auch das niederländische Parlament gab am Mittwoch den Griechenland-Hilfen grünes Licht. Sowohl die Parteien der Koalition von Rechtsliberalen und Sozialdemokraten als auch die linksliberale Oppositionspartei D66 erklärten am Mittwoch bei einer Sonderdebatte im Parlament in Den Haag ihre Zustimmung zu den Milliarden-Hilfen.

Schließlich kam auch noch der Sanktus der Euro-Finanzminister, wie Diplomaten am Abend nach einer telefonischen Besprechung der Ressortchefs berichteten. EU-Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis teilte via Twitter mit, die Unterstützung für Griechenland sei von der Eurozone beschlossen worden.

Tsipras: Europäisches Parlament einbinden

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hat indessen das Europäische Parlament gebeten, sich an der Überwachung des Rettungsprogramms zu beteiligen. Tsipras schrieb in einem Brief an den EP-Präsidenten Martin Schulz am Mittwoch, dass er einen Beitritt des Europäischen Parlaments zum Gläubiger-Quartett aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und Euro-Schutzschirm ESM für politisch unumgänglich halte. Das Büro von Tsipras teilte mit, dass Schulz in einem Telefonat positiv auf den Vorstoß reagiert habe.

Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Wieviel Geld bekommt Griechenland und was muss Athen leisten?

Insgesamt hat das Rettungspaket für Griechenland ein Volumen von 86 Mrd. Euro. Eine erste Auszahlung soll 26 Mrd. Euro schwer sein. Die Zeit drängt, schon am Donnerstag muss Athen fällige Schulden in Milliardenhöhe an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen. Aus eigenen Mitteln wäre dies für Griechenland kaum zu stemmen. Im Gegenzug zu der Finanzspritze verpflichtet sich das Land zu weitreichenden Reform- und Sparmaßnahmen. Unter anderem muss die Regierung den Staatshaushalt sanieren, das Finanzsystem von faulen Krediten bereinigen, Staatseigentum privatisieren, das Renteneintrittsalter erhöhen, die Verwaltung modernisieren und Steuerhinterziehung stärker bekämpfen.

Droht der " Grexit" immer noch?

Die Gefahr scheint vorerst gebannt. Für EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker ist aufgrund des dritten Hilfspakets klar: "Griechenland wird unabänderlich Mitglied der Eurozone bleiben." Sogar der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble schlägt inzwischen gemäßigtere Töne an. Schäuble hatte sich in den vergangenen Wochen für einen vorübergehenden "Grexit" ausgesprochen. Dafür hatte der Finanzminister viel Kritik geerntet. Auf die Frage, ob ein "Grexit" durch das neue Hilfspaket vom Tisch sei, sagte er nun: "Griechenland muss die Wahl treffen." Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hat den Austritt seines Landes aus dem Euro als finanziellen "Selbstmord" bezeichnet. Insofern lassen sich Schäubles Worte als Warnung an Athen verstehen, die zugesagten Reformen auch wirklich umzusetzen.

Kann Griechenland seine Schulden jemals zurückzahlen?

Die griechische Staatsverschuldung liegt derzeit bei gut 177 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Und es könnte noch schlimmer kommen: Der IWF erwartet, dass sich der Schuldenberg innerhalb der nächsten zwei Jahre der 200-Prozent-Marke annähern wird. Dabei geht er davon aus, dass bereits bei einer Staatsverschuldung von 110 Prozent der Wirtschaftsleistung fraglich ist, ob Griechenland auf Dauer zahlungsfähig bleiben kann. Der IWF hat daher einen Schuldenschnitt für das Land gefordert. Die deutsche Bundesregierung hält davon aber nichts. Die Debatte um einen Schuldenschnitt sei inzwischen beendet, hieß es am Montag aus Berlin. Bei Schuldenerleichterungen gebe es allerdings Spielraum.

Schuldenschnitt oder Schuldenerleichterung?

Ein Schuldenschnitt bedeutet den vollständigen Erlass zumindest eines Teils der bestehenden Schulden. Diese werden dann von den Gläubigern komplett abgeschrieben und vom Schuldner nicht mehr zurückgezahlt. Nach den europäischen Verträgen ist ein solcher Schuldenschnitt aufgrund einer sogenannten "No-Bailout"-Klausel eigentlich ausgeschlossen. Im Unterschied zum Schuldenschnitt geht es bei Schuldenerleichterungen, wie sie die Bundesregierung in Erwägung zieht, um Verlängerungen der Rückzahlungsfristen und um Verringerungen der Zinsen. Niedrigere Zinsen wirken ähnlich wie ein Schuldenschnitt, weil sie die Forderungen der Gläubiger über die Zeit tatsächlich verringern. Verlängerungen der Kreditlaufzeiten dagegen verringern den Schuldenberg nicht, verschieben aber den Zahltag weiter nach hinten.

Griechenlands schwere Hausaufgaben:

Eine Statue von Sokrates vor einer griechischen Flagge unter blauem Himmel.

A Greek flag flutters by a statue of ancient Greek
Eine Menschenmenge wartet vor einer Apotheke in Griechenland.

People queue outside a pharmacy that is open durin
Ein Bäcker formt Teig zu kleinen Gebäckstücken in einer Bäckerei.

A baker makes cookies as people are reflected in a
Zahlreiche Yachten liegen in einem Hafenbecken vor blauem Himmel.

A yacht arrives at Alimos marina, west of Athens
Ein Mann schleudert eine EU-Flagge vor einer Gruppe von Polizisten.

GREECE ECONOMIC CRISIS
Eine ältere Hand klopft an eine verwitterte Tür.

A pensioner leans against the main door of a branc
Ein Mann wartet an einem Bahnhof in Athen, während ein Zug vorbeifährt.

A man stands as a train passes in front of him at

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