Gauck kritisierte Erdogans Regierung
Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hat bei seinem Türkei-Besuch jüngste Entscheidungen der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kritisiert. Nach einem Gespräch mit dem türkischen Staatspräsident Abdullah Gül in Ankara sprach Gauck am Montag die Zugangssperren für Internetdienste wie Twitter und YouTube sowie die Massenversetzungen bei Polizei und Staatsanwaltschaft an.
Gül verwies dagegen auf die demokratischen und politischen Reformen in der Türkei. Es stelle sich die Frage, ob die Maßnahmen für die Demokratie förderlich seien, sagte Gauck.
In seiner Kritik erwähnte der deutsche Bundespräsident auch den jüngsten Streit zwischen der Erdogan-Regierung und Verfassungsgerichtspräsident Hasim Kilic. Dieser hatte mit Blick auf die Regierung gesagt, in einem Rechtsstaat seien die Gerichte keine Befehlsempfänger. Hinsichtlich einer möglichen türkischen Reaktion auf seine Kritik sagte Gauck, unter Freunden müsse man auch Dinge sagen können, die der andere vielleicht nicht gerne höre.
Die Regierung in Ankara hatte den Zugang zu Twitter am 20. März nach dort veröffentlichten Korruptionsvorwürfen gegen das Umfeld von Erdogan sperren lassen. Anfang April stufte das Oberste Gericht des Landes das Verbot als illegal ein, der Online-Dienst ist mittlerweile wieder zugänglich. Die Twitter-Sperre war international als Verstoß gegen die freie Meinungsäußerung kritisiert worden. Erdogan hatte nach der Twitter-Freigabe gesagt, er müsse das Urteil zwar umsetzen, respektiere es aber nicht. YouTube ist nach wie vor gesperrt. Kilic hatte die Kritik Erdogans an dem Gericht in scharfer Form zurückgewiesen.
Bürger und Rechte
Für die Achtung der Freiheitsrechte machte sich Gauck laut im Voraus verbreitetem Redetext auch bei einem Staatsbankett am Abend stark. "Partizipation, freie Meinungsäußerung und die Gesamtheit der Freiheits- und Teilhaberechte (...) machen einen Staat stärker, weil die Menschen erst durch diese Rechte als Bürgerinnen und Bürger respektiert werden und so dem Staat seine Rechtmäßigkeit verleihen können", sagte Gauck. Auch in der Türkei gebe es "eine junge Generation (...), die das Recht einfordert, kritisch mitzureden (...) - auf welchen Kanälen auch immer."
Gauck äußerte sich auch zu den Todesurteilen gegen Hunderte Anhänger des gestürzten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi in Ägypten. Die Entscheidungen bereiteten ihm große Sorge. Er sprach sich für Kontakte mit den ägyptischen Behörden aus, um eine maßvollere Justiz zu ermöglichen. Auch Gül sagte, die Urteile seien nicht hinnehmbar. Laut Anwälten in Kairo wurden am Montag gegen 683 mutmaßliche Islamisten Todesurteile verhängt. Zugleich seien 492 von 529 im März verhängte Todesurteile aufgehoben und größtenteils in lebenslange Haftstrafen umgewandelt worden.
Am letzten Tag seines Besuches nimmt Gauck zusammen mit Gül am Dienstag in Istanbul an der offiziellen Eröffnung der Türkisch-Deutschen Universität teil. Am Sonntag hatte der Bundespräsident im südtürkischen Kahramanmaras das Patriot-Kontingent der Bundeswehr und ein Lager für syrische Flüchtlinge besucht.
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