Protestaktionen und Polizeiaufgebot - Merkel verteidigt den Gipfel. Putin bleibt fern.
05.06.15, 11:27
Der G-7-Gipfel in Deutschland rückt näher
- und die Protestaktionen der Gipfelgegner gehen jetzt richtig los. In Garmisch-Partenkirchen, Klais und an zwei Orten in Mittenwald werden am Freitag die Dauerkundgebungen fortgesetzt, die am Donnerstag begonnen haben. Aber auch die Sicherheitsvorkehrungen rund um den bayerischen Tagungsort Schloss Elmau rücken weiter in den Fokus. Nach der großen Demonstration am Donnerstag mit mehr als 35.000 Teilnehmern in München gibt es am Freitag noch einmal eine bilderstarke Aktion in der bayerischen Landeshauptstadt: Die Organisation One, die gegen weltweite Armut ankämpft, lässt riesige Luftballons mit den Gesichtern der G-7-Staatschefs steigen. Die Botschaft: Man erwarte "mehr als heiße Luft", bei der Armutsbekämpfung, teilten die Organisatoren im Vorfeld mit.
Die Protest-Veranstalter rechnen sogar damit, dass ihr Camp zu klein für alle Teilnehmer wird. Der Sprecher des Bündnisses "Stop G-7 Elmau", Benjamin Ruß, sagte: "Wir haben jetzt rund 600 Leute hier und bei 1.000 wird es grenzwertig." Dabei seien weitere Gruppen erst auf dem Weg. Auf Schloss Elmau treffen sich Sonntag und Montag die Staats- und Regierungschefs von sieben wichtigen Industrienationen.
epa04782943 Demonstrators participate in a protest against the G7 Summit in Munich, Germany, 04 June 2015. The demonstration from G7 critics is taking place with the title 'Stop TTIP, save the climate, fight poverty.' Leaders from the United States, Britain, France, Germany, Italy, Canada and Japan - the seven leading industrialized nations (G7) - will meet to discuss the global economy, as well as foreign, security and development policy at Elmau Castle, Bavaria, on 07 and 08 June as the climax of Germany's presidency of the G7. EPA/SVEN HOPPE
Die deutsche Bundeskanzlerin
Angela Merkel sieht in friedlichen Demonstrationen gegen den G-7-Gipfel in
Bayern eine Bereicherung der Demokratie. Zugleich warb sie in einem Interview mit der
Deutschen Presse-Agentur bei den Gipfel-Gegnern um Verständnis, dass die Staats- und Regierungschefs zu solchen Beratungen zusammenkommen. "Wir haben in der Geschichte Europas gesehen, wohin es geführt hat, wenn nicht gesprochen wurde", sagte sie. Die Staats- und Regierungschefs der
USA, von
Kanada,
Japan,
Deutschland,
Frankreich,
Großbritannien und
Italien müssten "in einer Welt voller Konflikte die Möglichkeit haben, auf einem solchen Gipfel miteinander zu beraten".
Hohe Kosten
Die CDU-Chefin sagte: "Wir haben viel getan, um auf die Menschen zuzugehen, die sich kritisch mit der Globalisierung auseinandersetzen." Gewalttätiger Protest werde aber nicht akzeptiert. "Es gibt auch Menschen, die nicht Inhalte kritisieren wollen, sondern den Staat und seine Sicherheitskräfte mit Gewalt herausfordern. Dagegen muss die
Polizei im Interesse der Sicherheit vorgehen." Zum Schutz des Gipfels sind mehr als 19.000 Polizisten im Einsatz - 17.000 in Deutschland, 2.100 im benachbarten
Tirol (siehe unten). Und die Beamten müssen alle in Hotels untergebracht und verpflegt werden - das macht den Gipfel insgesamt zu einer teuren Angelegenheit. Für die gut 24 Stunden Elmau-Treffen sind 130 Millionen Euro veranschlagt. Damit kostet rechnerisch jede Gipfelminute annähernd 90.000 Euro. Den Großteil bezahlt der Freistaat
Bayern.
epa04782942 Demonstrators participate in a protest against the G7 Summit carry a giant symbolic octopus in Munich, Germany, 04 June 2015. The demonstration from G7 critics is taking place with the title 'Stop TTIP, save the climate, fight poverty.' Leaders from the United States, Britain, France, Germany, Italy, Canada and Japan - the seven leading industrialized nations (G7) - will meet to discuss the global economy, as well as foreign, security and development policy at Elmau Castle, Bavaria, on 07 and 08 June as the climax of Germany's presidency of the G7. EPA/SVEN HOPPE
Merkel ging auch auf die inhaltlichen Themen des Gipfels ein: Eine Rückkehr Russlands in die Gruppe der G-8 hält sie derzeit für unrealistisch. "Eine Teilnahme Russlands ist zurzeit nicht vorstellbar", sagte die CDU-Vorsitzende. Sie betonte aber: "Manche Konflikte, etwa den in
Syrien, können wir ohne
Russland gar nicht lösen." Sie halte deshalb regelmäßig Kontakt zu PräsidentWladimir Putin. Auf die Frage, wie es ohne
Russland in dem G-7-Format weitergehen soll, antwortete
Merkel: "Seit der internationalen Finanzkrise gibt es regelmäßige G-20-Treffen, bei denen auch
Russland zusammen mit allen wesentlichen Wirtschaftsnationen vertreten ist. Ich bin froh, dass sich auch dort eine sehr gute Arbeitsatmosphäre entwickelt hat."
epa04782945 Demonstrators participate in a protest against the G7 Summit and hold a sign depicting US President Barack Obama in lederhosen in Munich, Germany, 04 June 2015. The demonstration from G7 critics is taking place with the title 'Stop TTIP, save the climate, fight poverty.' Leaders from the United States, Britain, France, Germany, Italy, Canada and Japan - the seven leading industrialized nations (G7) - will meet to discuss the global economy, as well as foreign, security and development policy at Elmau Castle, Bavaria, on 07 and 08 June as the climax of Germany's presidency of the G7. EPA/BORIS ROESSLER
Das Thema
NSA-Skandal will die deutsche Kanzlerin nicht streifen. Sie werde mit
US-Präsident Obama nicht über die Herausgabe von Suchbegriffen sprechen, die der US-Geheimdienst dem
Bundesnachrichtendienst zur
Spionage gegen Behörden - darunter laut Medien auch österreichische - Politiker und Firmen übermittelt hatte, so
Merkel. Das Konsultationsverfahren mit den
USA dafür laufe nicht auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs. Nach Abschluss des Verfahrens werde sie eine Entscheidung treffen.
Der BND soll der NSA über Jahre geholfen haben, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen. Die NSA lieferte dem BND demnach für die Überwachung des Datenverkehrs in seiner Abhörstation in Bad Aibling viele Tausend Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern. Merkels Koalitionspartner SPD fordert die Herausgabe dieser sogenannten Selektoren und hatte unter anderem als ein Datum den 8. Juni genannt - den zweiten und letzten Gipfeltag.
General view shows meeting room of hotel castle El
Im bayerischen Landkreis Garmisch-Partenkirchen hätte man sich den Rummel, der schlimmsten Fall in gewalttätigen Krawallen endet, gerne erspart. Für gerade einmal 24 Stunden Gipfelzeit ist ein 17.000 Mann starkes Heer an Polizisten in der Region aufmarschiert. Sie sollen die Staats- und Regierungschefs der G7 schützen, die am Sonntag und Montag auf Schloss Elmau tagen werden. In der Bevölkerung hält sich die Freude über den hohen Besuch daher in Grenzen.
Hinter der nahen Staatsgrenze in Tirol ist die Stimmungslage um Hausecken besser. "Das könnten wir öfter haben", sagt Martin Schwenninger. Der Seefelder Hotelier hat wie viele andere in der Region sein Haus für Polizisten geöffnet. Etwa 5000 Beamte aus Deutschland sind in Tirol untergebracht. Rund um den G7-Gipfel und das direkt im Anschluss nahe Seefeld ebenfalls unter großen Sicherheitsvorkehrungen stattfindende Bilderberg-Treffen (10. bis 14. Juni) beziehen zudem bis zu 2100 österreichische Polizisten in der Region Quartier.
"Das ist ein Super-Geschäft. Das sind ganz pflegeleichte Gäste, die keine Wünsche haben und noch dazu den ganzen Tag nicht da sind", sagt Schwenninger. Das würden auch alle andere Hotelierskollegen so sehen. Und die, die nicht in der Vorsaison aufsperren wollten, würden sich nun darüber ärgern.
Die Region um Seefeld dürfte in diesen Tagen die sicherste in ganz Österreich sein. Bereits auf dem Weg vom Inntal hinauf zu dem Plateau hat die österreichische Polizei gemeinsam mit deutschen Beamten Checkpoints errichtet. Hier sollen im besten Fall schon vor der nun streng kontrollierten deutschen Grenze möglicherweise gewalttätige G7-Gegner abgefangen werden.
In Seefeld selbst stehen vor einzelnen Quartieren 20 bis 25 Polizeiautos. Am See joggen die Beamten nach Dienstschluss. In den Bergen und Wäldern streifen Patrouillen herum. Darunter auch eine berittene Streife aus Berlin. Selbst Radfahrer und Wanderer müssen dieser Tage mit Passkontrollen rechnen.
Von Touristen habe es aber bislang keine Beschwerden gegeben, versichert der Seefelder Bürgermeister Werner Frießer: "Ich habe noch keine negativen Meldungen gehört." Die uniformierten Gäste seien in dieser Jahreszeit eine Bereicherung. Und Frießer hofft, dass die Beamten vielleicht auch Urlauber von morgen sind: "Viele wollen mit ihren Familien wiederkommen", freut sich der Ortschef.
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