G-20-Gipfel in der Türkei im Zeichen der Flüchtlinge

Der G-20-Gipfel im türkischen Antalya wird ganz im Zeichen der Flüchtlingskrise stehen. Dafür dürfte schon das Gastgeberland sorgen. Denn laut dem Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) nimmt derzeit kein Staat der Erde mehr Schutzbedürftige auf - viele davon aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Syrien.
Für Aufsehen bei dem Treffen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer dürfte auch Simbabwes greiser Diktator Robert Mugabe sorgen. Im Westen eigentlich eine "Persona non grata", wurde er aber in seiner Funktion als amtierender Präsident der Afrikanischen Union (AU) als Gast eingeladen.
Entscheidungen zur Flüchtlingskrise sind auf dem Gipfel, der am Sonntag beginnt und am Montag endet, allerdings nicht zu erwarten, wie Teilnehmer im Vorfeld sagen. Trotzdem werden die Staats- und Regierungschefs beim Abendessen am ersten Gipfeltag über das Thema diskutieren. Noch wichtiger könnten aber die vielen bilateralen Gespräche am Rande des Treffens werden - etwa zur Bekämpfung der Fluchtursachen in Syrien, dem Irak und Afghanistan. Beispiel Syrien-Konflikt: Mit den USA, den großen europäischen Staaten, aber auch Russland und Saudi-Arabien kommen wichtige Akteure in die Türkei. Präsident Obama trifft sich am Sonntag zu so einem bilateralen Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Erdogan.
Die Themen des G-20-Gipfels:
Flüchtlingskrise
Die Flüchtlingskrise ist für den Gipfel-Gastgeber Türkei selbst ein Riesenthema. Rund zwei Millionen Menschen aus den Nachbarländern Syrien und Irak haben in der Türkei Zuflucht gesucht. Beim Gipfel-Dinner am Sonntag - also im lockeren Gespräch und ohne Zeitbegrenzung - wollen die G-20 über Migration beraten. Deutschland und die EU hoffen auf ein Signal der Solidarität und eine Verabredung der G-20, Fluchtursachen zu bekämpfen, die sich möglichst auch in der Gipfelerklärung wiederfinden. Doch nicht alle Teilnehmer halten dies für ein G-20-Thema.
Klimaschutz
Zwei Wochen nach dem G-20-Gipfel beginnt in Paris der UNO-Klimagipfel. Vereinbart werden soll dort ein neues weltweites Abkommen zur Reduzierung der Treibhausgase. Vom Treffen in der Türkei erhofft sich Deutschland ein "starkes Signal" und "viel Rückenwind" für die Klimakonferenz. Die G-20-Staaten stehen für 80 Prozent der weltweiten Emissionen.
Wachstum
Beim vergangenen Gipfel in Brisbane vor einem Jahr hatten sich die G-20 zum Ziel gesetzt, bis 2018 zusätzliche 2,1 Prozent Wirtschaftswachstum zu erzielen. Das globale Bruttoinlandsprodukt soll so um zwei Billionen Dollar steigen. Rund tausend Einzelmaßnahmen wurden vereinbart, von denen nach Berichten internationaler Organisationen bisher rund die Hälfte umgesetzt wurde. In der Türkei soll es vor allem darum gehen, die Beschlüsse von Brisbane auch wirklich vollständig anzuwenden.
Jugendarbeitslosigkeit
Die G-20 wollen sich zum Ziel setzen, die Arbeitslosigkeit von schwer zu vermittelnden Jugendlichen bis 2025 um 15 Prozent zu senken.
Regulierung
Kein Akteur, kein Produkt und kein Platz der internationalen Finanzgeschäfte dürfe unreguliert bleiben - diese Lehre hatten die G-20 aus der Krise vor sieben Jahren gezogen. Vor allem Deutschland drängte seit Jahren, auch die sogenannten Schattenbanken, also Hedgefonds und andere Kredithändler außerhalb der regulären Bankenwelt, besser zu überwachen. Vor zwei Jahren war nach mühsamen Verhandlungen ein Zeitplan für die nötigen Einzelschritte vereinbart worden, der eigentlich bis Ende des Jahres abgearbeitet sein sollte. Offenbar gibt es aber noch Lücken.
Zudem soll dafür gesorgt werden, dass nicht die Steuerzahler einspringen müssen, wenn Großbanken in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Die entsprechenden Notfall-Töpfe sollen mit mehr Geld ausgestattet werden.
Steuerflucht
International aufgestellten Großkonzernen soll es erschwert werden, durch Verschieben und Verstecken ihrer Gewinne Steuerzahlungen an die öffentlichen Haushalte zu vermeiden. Grundlage dafür ist ein zusammen mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeiteter Aktionsplan, das sogenannte BEPS-Projekt. Die Staats- und Regierungschefs sollen diesem nun offiziell zustimmen. Aktivisten halten die Steuerpläne der G-20 aber für unzureichend und weisen darauf hin, dass unter den Steuerausfällen in Höhe Hunderter Milliarden Dollar vor allem Entwicklungsländer leiden
Es geht aber auch um andere Themen, die Menschen bewegen können, ihre Heimat zu verlassen, wie ein deutscher G-20-Vertreter sagt. Dazu gehörten etwa schlechte Lebensbedingungen und fehlende Sicherheit, aber auch Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung und die Förderung ärmerer Länder. Vor allem die Türkei fordert eine stärkere Einbeziehung ärmerer Staaten. Sie sollen auch profitieren, wenn die Weltwirtschaft wie erhofft kräftiger wächst und Freihandelsabkommen neue Impulse liefern.
Zum zehnten Mal treffen sich am Sonntag und Montag in der Türkei die Staats- und Regierungschefs aus 20 großen Industrie- und Schwellenländern. Der "Club der Wirtschaftsriesen" wurde Ende der 90er-Jahre gegründet, um sich international in Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik abzustimmen.
Die G-20-Mitgliedsländer stehen zusammen für fast 90 Prozent der Wirtschaftsleistung weltweit und für rund zwei Drittel der Weltbevölkerung. Zur Zeit hat die Türkei die Präsidentschaft inne, der Gipfel findet daher in der Ferienmetropole Antalya am Mittelmeer statt. Danach übernimmt China die Präsidentschaft und richtet 2016 den nächsten Gipfel aus.
Die G-20-Runde gibt es seit 1999, sie wurde als Reaktion auf die Asien-Krise zunächst auf Finanzministerebene eingerichtet. Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer kamen erstmals infolge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise kurz nach der Lehman-Pleite 2008 in Washington zu einem Gipfel zusammen. 2009 werteten sie die Runde der G-20 zum "obersten Forum für unsere internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit" auf. Allerdings hat dieses Forum mit Abflauen der Krisen wieder etwas an Dynamik und Bedeutung verloren.
Die G-20 sind ein informeller Zusammenschluss und keine internationale Organisation. Von Kritikern wird deshalb regelmäßig angeprangert, dass die Gruppe nicht dazu legitimiert sei, Beschlüsse für praktisch die gesamte Welt zu treffen.
Mitglieder der G-20 sind die sieben großen Industrieländer (G-7) bestehend aus den USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada und Japan; dazu kommen Russland sowie Australien, die Türkei, Saudi-Arabien und Südafrika. Vertreten sind außerdem die asiatischen Länder China, Indien, Indonesien und Südkorea sowie die lateinamerikanischen Staaten Argentinien, Brasilien und Mexiko. Das zwanzigste Mitglied der G-20 ist kein Staat, sondern eine Staatengruppe: die Europäische Union.
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