Ex-US-Außenministerin Albright tot - beklagte noch "Ehrlosigkeit" Putins

US-POLITICS-SECURITY
Madeleine Albright war die erste Frau als US-Außenministerin. Sie verstarb im Alter von 84 Jahren.

Die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright ist im Alter von 84 Jahren an Krebs gestorben. Sie sei am Mittwoch im Kreis von Familie und Freunden einer Krebserkrankung erlegen, teilte ihre Familie in einer Stellungnahme mit, die über Albrights verifizierten Twitter-Account verbreitet wurde. Albright stieg unter dem demokratischen US-Präsidenten Bill Clinton zur ersten Frau an der Spitze des Außenministeriums in Washington auf. Sie hatte das Amt 1997 bis 2001 inne.

Albright war eine resolute Diplomatin in einer Regierung, die zögerte, sich in die größten außenpolitischen Krisen der 1990er-Jahre einzumischen - die Völkermorde in Ruanda und Bosnien-Herzegowina. Als im April 2000 das US-Repräsentantenhaus in einer Resolution sein "tiefes Bedauern" über die Beteiligung der FPÖ an der österreichischen Regierung ausdrückte, wies Albright darauf hin, dass die Regierung "mittels einer demokratischen Wahl" zustande gekommen sei und "an ihren Taten gemessen" werden solle.

Clinton: "Immenser Verlust für die Welt"

In Anspielung auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine erklärte Clinton am Mittwoch, "Madeleines Tod ist ein immenser Verlust für die Welt - und das zu einer Zeit, in der wir die Lehren ihres Lebens am meisten brauchen". Albright sei eine der besten Diplomatinnen, eine brillante Professorin und ein "außerordentlicher Mensch" gewesen, erklärte Clinton. Als Außenministerin sei sie eine "leidenschaftliche Vertreterin von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten" gewesen, betonte er.

Harte Worte für Putin

Kurz vor ihrem Tod fand Albright noch harte Worte für Russlands Präsident Wladimir Putin, einen Tag vor Beginn des russischen Angriffskriegs. "Ein Einmarsch in die Ukraine würde nicht Russlands Weg zur Größe ebnen, sondern Herrn Putins Ehrlosigkeit besiegeln, indem er sein Land diplomatisch isoliert, wirtschaftlich angeschlagen und strategisch verwundbar gegenüber einem stärkeren, geeinten westlichen Bündnis macht", schrieb sie in einem Gastbeitrag in der New York Times. Wenn Herr Putin sich in die Ecke gedrängt fühle, könne er sich dafür nur selbst die Schuld gegeben. Die Ukraine habe ein Recht auf ihre Souveränität, unabhängig davon, wer ihre Nachbarn sind, so Albright. "Im modernen Zeitalter akzeptieren große Länder das, und das muss auch Herr Putin akzeptieren."

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) reagierte "mit großer Trauer" auf den Tod Albrights. "Als Verfechterin der Demokratie prägte sie die westliche Außenpolitik nach dem Kalten Krieg und gab ein Beispiel dafür, wie man mit globalen Herausforderungen umgehen kann. Mein aufrichtiges Beileid an ihre Familie und unsere amerikanischen Freunde", betonte Schallenberg am Mittwochabend auf Twitter. Albright hatte im September 1998 als erste US-Außenministerin seit dem Zweiten Weltkrieg Österreich einen bilateralen Besuch abgestattet.

Vor Nazis geflohen

Albright blickte auf eine bewegte Lebensgeschichte zurück. Die am 15. Mai 1937 als Marie Jana (genannt Madlenka) Korbelova als älteste von drei Kindern in Prag geborene Diplomatentochter floh im Zweiten Weltkrieg mit ihren Eltern erst vor den Nazis nach London, nach einer kurzen Episode in der Nachkriegs-Tschechoslowakei dann vor Stalin in die USA. Erst spät erfuhr die katholisch erzogene Albright vom tragischen Schicksal ihrer jüdischen Großeltern, die in Auschwitz ermordet wurden. Aus ihrem Stolz auf ihre Wahlheimat USA machte Albright nie einen Hehl: Wiederholt lobte sie in warmen Tönen die Großherzigkeit der amerikanischen Nation, sie und ihre Familie aufzunehmen.

Seit den 70er Jahren engagierte sich Albright bei den US-Demokraten. Während der Präsidentschaft von Jimmy Carter arbeitete sie im Weißen Haus. Anfang der 90er wurde sie US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen - und brachte mit machtbewusstem Auftreten Diplomaten von Bagdad bis Havanna in Rage. Als die Republikaner unter Ronald Reagan die Macht übernahmen, wurde Albright Professorin für internationale Beziehungen an der renommierten Georgetown-Universität in Washington. Von ihrem Mann, einem wohlhabenden Verleger, ließ sie sich 1982 scheiden.

Erste Frau als Außenministerin

Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere ernannte Clinton die Mutter dreier Kinder als erste Frau zur Außenministerin, das Amt hatte sie bis zum Machtwechsel 2001 inne. Viele sahen in der Frau mit den sorgfältig frisierten Haaren und auffälligen Broschen eine US-Version der britischen "Eisernen Lady" Margaret Thatcher - ein Image, gegen das Albright sich lange vergebens zu wehren versuchte.

FILE PHOTO: Palestinian chief negotiator Saeb Erekat (L) comforts a Palestinian girl whose father is being held in an Israeli jail as she tells her story to Secretary of State Albright, Bill Clinton, and Arafat

Als Albright 2001 nach der Amtsübernahme der Bush-Regierung als Außenministerin ausschied, hatte sie in vier Jahren 95 Länder besucht. Ihr Ausscheiden wurde selbst von ihrem damaligen russischen Amtskollegen wortreich bedauert. Mit dem deutschen Ex-Außenminister Joschka Fischer (Grüne) pflegt sie bis heute eine enge Freundschaft. Wegen ihrer europäischen Herkunft lagen Albright in ihrer Amtszeit die transatlantischen Beziehungen besonders am Herzen. Dem Aufruf ihres Freundes, des damaligen tschechischen Präsidenten Vaclav Havel, im Jahr 2003 für seine Nachfolge zu kandidieren, wollte die überzeugte US-Patriotin aber nicht folgen.

An einen Rückzug aus der Öffentlichkeit dachte die temperamentvolle Politikerin lange nicht: Seien es das Engagement für verarmte Frauen, ein humorvoller Kurzauftritt in der TV-Kultserie "Gilmore Girls" oder ihre vielbeachtete Teilnahme an einer Anti-Terror-Übung - Albright sorgte dafür, dass sie im Gespräch blieb. Im US-Wahlkampf 2008 unterstützte sie zunächst eine Kandidatur ihrer Geschlechtsgenossin Hillary Clinton, bekannte sich dann aber später zu Barack Obama. 2008 vertrat sie ihn vor seinem Amtsantritt beim Weltfinanzgipfel.

Sie war als Universitätsdozentin tätig, leitete eine Consultingfirma in Washington, engagierte sich für die Förderung von Demokratie und die Mitwirkungsmöglichkeiten von Frauen, reiste viel, hielt Reden und blieb gefragte Kommentatorin der internationalen Politik. 

Klare Worte

Sie galt in ihrer aktiven Zeit als harte Verhandlungspartnerin und Freundin klarer Worte. Vernichtende Urteile fällt die energische Politikerin etwa über die Politik der Regierung von George W. Bush, wenn sie etwa den Irakkrieg als "größte Katastrophe der amerikanischen Außenpolitik" bezeichnete.

Noch 2020 veröffentlichte Albright eine dritte Autobiografie. "Die Hölle und andere Reiseziele" setzt sich mit dem "dritten Akt" ihres Lebens auseinander - also ihrem Werdegang nach ihrem Amtsende 2001, als sie 63-jährig "noch nicht bereit für den Schaukelstuhl" war. Durchaus selbstkritisch und unterhaltsam schildert Albright dabei ihr umfangreiches politisches Wirken und diverse Hoppalas.

Zitat auf Kaffeebecher

Es entstand eine "Sammlung von Geschichten, geprägt von der Erkenntnis, dass wir alle viel voneinander lernen können, über einzigartige Eigenschaften verfügen und dafür keine perfekten Vorbilder sein müssen". Den Titel erklärte sie so: "Der Satz 'Die Hölle hält ein Plätzchen für Frauen bereit, die anderen Frauen nicht helfen', habe ich so oft wiederholt, dass Starbucks ihn auf einen Kaffeebecher drucken ließ."

Dieser Satz fiel auch bei einer Wahlkampfveranstaltung von Hillary Clinton 2016 in Concord, einem Ort im Bundesstaat New Hampshire, drei Tage vor der Präsidentschaftsvorwahl der Demokraten. Albright erntete für ihre Worte einen Shitstorm in Sozialen Medien und bedauert auch ihre Aussage. "Frauen dazu anhalten, anderen Frauen zu helfen? Immer eine gute Sache. Einer Frau, die für einen Mann stimmt, sagen, dass sie dafür in die Hölle komme? Nicht so klug."

Mit Clintons Konkurrent von damals, dem späteren US-Präsidenten Donald Trump, ging die Demokratin hart ins Gericht. "Offenbar ist die Außenpolitik für Trump weniger eine Frage der Strategie als des Stils. Er hält es für klug, an einem Tag Drohungen auszustoßen und am nächsten wieder eitel Sonnenschein zu verbreiten, nach Belieben hin und her zu springen, zu tricksen und zu bluffen", meinte Albright. Auf dem Feld der nationalen Sicherheit habe Trump "außer vielen großspurigen Versprechen wenig zustande gebracht", so die Ex-US-Außenministerin weiter. Unter anderem erwähnte sie seinen "ebenso dilettantischen wie schändlichen Erpressungsversuch gegenüber der Ukraine, die er zwingen wollte, ihm Munition für seinen Wahlkampf zu liefern", was "einen langjährigen Verbündeten der USA vor den Kopf" gestoßen habe.

Außenministerin zu sein, fand Albright "wunderbar", "was aber nicht heißt, dass ich stets fröhlich pfeifend umherlief. Es gab durchaus Tage, und zwar nicht wenige, an denen ich ein Meeting kochend vor Wut verließ, weil ich mich wieder mal nicht hatte durchsetzen können", berichtete Albright.

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