Frankreich will Sicherheitsgesetz nach Protesten ändern
Nach massivem Protest gegen das umstrittene Sicherheitsgesetz und Polizeigewalt ist die Regierungsmehrheit in Frankreich eingeknickt. Die Regierungsfraktionen im Unterhaus des Parlaments kündigten am Montag nach einer Krisensitzung im Élysée-Palast in Paris an, dass sie einen besonders scharf kritisierten Artikel des Sicherheitsgesetzes neu formulieren wollen. Dieser Artikel soll die Veröffentlichung von Aufnahmen von Polizeieinsätzen einschränken.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte zuvor die Regierung ungewöhnlich scharf dazu aufgefordert, Vorschläge zu unterbreiten, um das Vertrauensverhältnis zwischen der Polizei und den Menschen im Land wiederherzustellen.
"Wir werden eine vollständige Neufassung von Artikel 24 vorschlagen", sagte Christophe Castaner, der Fraktionschef der Präsidentenpartei La République en Marche (LREM) in der Nationalversammlung, nach dem Treffen mit Macron. Dieser hatte übereinstimmenden Berichten zufolge zuvor Premierminister Jean Castex, den Innen- und Justizminister sowie die Fraktionsführer der Mehrheitsfraktionen im Élysée-Palast empfangen. Eine Bestätigung gab es dafür zunächst nicht. Ex-Innenminister Castaner betonte nun, dass man das Unverständnis der Öffentlichkeit und der Journalisten bezüglich des Textes wahrnehme. Man wisse, dass noch immer Zweifel bestehen.
100.000 gingen auf die Straße
Am Wochenende gingen landesweit nach Behördenangaben mehr als 100.000 Menschen auf die Straße - sie demonstrierten unter anderem gegen das Sicherheitsgesetz. Der Gesetzentwurf soll der Regierung zufolge eigentlich die Polizei besser schützen. Kritiker sehen jedoch die Pressefreiheit in Gefahr. Videos von aggressiven Polizeieinsätzen im Netz heizten die Debatte zusätzlich an. Aufnahmen einer Überwachungskamera, die zeigen, wie Polizisten brutal gegen einen Musikproduzenten vorgehen, und die aggressive Räumung eines Flüchtlingscamps hatten für Entrüstung gesorgt.
Die Nationalversammlung hatte dem Sicherheitsgesetz in der vergangenen Woche eigentlich bereits zugestimmt. Nun ist das Oberhaus des Parlaments, der Senat, an der Reihe, über den Text abzustimmen. Der umstrittene Artikel 24 des Gesetzes sieht vor, dass die Veröffentlichung von Bildern von Sicherheitsbeamten im Einsatz, die das Ziel verfolgt, die körperliche oder seelische Unversehrtheit der Polizistinnen oder Polizisten zu verletzen, mit bis zu einem Jahr Gefängnis und einer Geldstrafe von 45 000 Euro geahndet werden kann.
Innenminister Gérald Darmanin hatte das Gesetz immer wieder verteidigt und war in der Debatte unter Druck geraten. Einzelne Abgeordnete hatten zuletzt eine komplette Streichung des Artikels gefordert. "Die französische Gesellschaft war noch nie so gespalten wie heute, und Artikel 24 trägt dazu bei", sagte Pierre Person, Abgeordneter von LREM der Zeitung "Le Parisien".
Vor einem Ausschuss der Nationalversammlung verteidigte Darmanin am Abend die Arbeit der Polizei im Land. Er schloss strukturelle Probleme nicht aus. Er glaube allerdings nicht an einen Bruch zwischen Bevölkerung und Polizei. Man müsse aber den Menschen die Schwierigkeiten der Polizei verständlicher machen, sagte er. Darmanin sprach dem Pariser Polizeipräfekten Didier Lallement, der in der Kritik steht, sein Vertrauen aus. "Er ist mit einem der schwierigsten Posten in Frankreich betraut."
Die Justiz leitete inzwischen Ermittlungsverfahren gegen vier Sicherheitskräfte wegen des brutalen Polizeieinsatzes gegen den Musikproduzenten ein. Zwei von ihnen kamen in Untersuchungshaft, zwei wurden unter Justizaufsicht gestellt. Die Anwältin des attackierten Musikproduzenten zeigte sich im Sender Franceinfo "zufrieden". Sie wies auf die besondere Bedeutungen von Videos bei der Aufklärung von Polizeigewalt hin. Darmanin sagte im Ausschuss, er habe beim ersten Anblick der Videos zunächst gedacht, "es seien keine echten Polizisten".
Einige Polizeigewerkschaften hingegen bewerteten die Entscheidung der Justiz vor allem mit Blick auf die Untersuchungshaft als zu hart. Man hoffe, dass diese nicht dem Druck der Medien geschuldet sei und dass nur die Elemente des Falles berücksichtigt worden seien, sagte Thierry Clair von der Polizeigewerkschaft Unsa dem Sender.
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