Flüchtlingskrise Frage der "Zukunftsfähigkeit Europas"

In der Flüchtlingskrise hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel die EU-Partner ermahnt, die Zukunft der Union nicht aufs Spiel zu setzen. Sie hoffe, dass bei den Treffen der EU-Innenminister am Dienstag sowie der Staats- und Regierungschefs am Mittwoch Einigungen erzielt würden, "die den Menschen zeigen: Europa nimmt sich dieser Verantwortung gemeinsam an".
Das sagte Merkel am Sonntag vor den Delegierten des Bundeskongresses der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi (ver.di) in Leipzig. Die Ergebnisse der Treffen würden "viel aussagen über die Zukunftsfähigkeit dieses Europas".
Die Flüchtlingskrise sei "nicht nur eine deutsche Herausforderung, sondern europäische Herausforderung", sagte Merkel. "Wir sind eine Europäische Union, die die gleichen Werte vertritt, die eine gemeinsame Asylpolitik hat, die sich für offene Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten eingesetzt hat", fügte sie hinzu. Dies bedeute aber auch, "dass Europa jetzt gemeinsam handeln muss und gemeinsam Verantwortung tragen muss". "Deutschland allein kann diese Aufgabe nicht schultern", sagte Merkel. Sie dankte zugleich ehrenamtlichen Helfern sowie den Gemeinden und Bundesländern für ihren Einsatz.
Seit Wochen versuchen zehntausende Syrer und andere Flüchtlinge, nach Europa zu gelangen, wobei Deutschland bevorzugtes Ziel ist. Vor allem osteuropäische Staaten wehren sich gegen die Einführung verbindlicher Quoten für die Verteilung der Flüchtlinge, wie sie von der EU-Kommission angestrebt werden. Insgesamt sollen so 160.000 Flüchtlinge in der EU verteilt werden.
Einige Länder wollen da jedoch nicht mitspielen: Polen etwa will Ministerpräsidentin Ewa Kopacz zufolge nur wenige aufnehmen. Außenminister Grzegorz Schetyna hingegen sendete andere Signale: Polen sei sogar zur Übererfüllung der Quote bereit.
Flüchtlingsstrom wird anhalten
Angesichts der Krise forderte der Chef der EU-Grenzschutzbehörde Frontex mehr Unterstützung seitens der EU-Mitgliedstaaten. Die Ereignisse der vergangenen Monate hätten vor Augen geführt, "dass wir dringend zu einem einheitlichen europäischen Grenzmanagement finden müssen", sagte Fabrice Leggeri. In einem Interview mit der Welt und der spanischen Zeitung El País erklärte Leggeri: "Was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass wir mehr personelle Unterstützung seitens der Länder brauchen - Leute, die wir vor Ort einsetzen können, und die brauchen wir jetzt.". Gegenwärtig verfüge Frontex über 65 Gastkontrollore, die die Mitgliedsstaaten jeweils für sechs Monate an die Behörde ausleihen. "Mein Vorschlag wäre, dass die Frist auf ein Jahr verlängert wird. Das würde unsere Flexibilität schon deutlich erhöhen", sagte der Frontex-Chef.
Leggeri betonte, dass ein gutes Grenzmanagement aus seiner Sicht nur ein Baustein sein könne in einer großen Strategie für die Bewältigung der gegenwärtigen Flüchtlingskrise. Unter anderem müsse auch der europaweite Kampf gegen Schleuser und gegen das organisierte Verbrechen verbessert werden. Laut Frontex ist ein Abschwächen des Flüchtlingsandrangs Richtung Europa vorerst nicht zu erwarten. "Die Geschwindigkeit und Dynamik des Flüchtlingszustroms bleibt weiterhin außergewöhnlich hoch", sagte der Frontex-Chef. Laut den Risikoanalysten der Behörde werden in den nächsten Wochen vor allem Familien mit Kindern jede Chance nutzen, um nach Europa zu kommen, bevor der Wintereinbruch eine Überfahrt noch riskanter macht. Den Schätzungen zufolge warteten allein an der türkischen Westküste derzeit bis zu 500.000 Flüchtlinge darauf, die Überfahrt nach Griechenland anzugehen.
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