Rotes Kreuz: Lage in Idomeni explosiv

An einem Bahngleis sitzen und stehen Menschen vor einem Güterwagen, auf dem Wäsche zum Trocknen aufgehängt ist.
Das Deutsche Rote Kreuz will die Mitarbeit in Griechenland aber nicht aufkündigen.

Die Lage im Flüchtlingscamp in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze und der Umgebung spitzt sich zu. "Ich fürchte, es könnte zu einer Explosion kommen", sagte die Sprecherin des Rotes Kreuzes aus Idomeni, Despoina Filippidaki, am Donnerstag. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) forderte die EU indes auf, Griechenland rasch bei der Bewältigung des andauernden Ansturms von Flüchtlingen zu helfen.

"Die EU muss verhindern, dass es Tote gibt", sagte DRK-Präsident Rudolf Seiters in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Griechenland sei mit der Bewältigung dieser Situation "hoffnungslos überfordert". Das Land brauche unverzüglich die organisatorische und finanzielle Hilfe, die ihm schon vor eineinhalb Jahren zugesagt worden sei. 2015 seien in Griechenland mehr als 800.000 Flüchtlinge angekommen, seit Anfang 2016 weitere 190.000.

Mit den Nerven am Ende

"Wir können unsere humanitäre Hilfe nur unter schwierigsten Bedingungen verteilen", erklärte Filippidaki. Die Schutzsuchenden wollen nach Mitteleuropa weiterfahren und protestieren gegen die Schließung der Grenze zu Mazedonien, der ersten Station der Balkanroute Richtung Österreich und Deutschland.

Eine Gruppe von Menschen steht im Regen, darunter ein Kind mit pinkfarbener Hose.
TOPSHOT - People queue for food under the rain at a makeshift camp for migrants and refugees at the Greek-Macedonian border near the village of Idomeni on March 23, 2016. The UN refugee agency harshly criticized an EU-Turkey deal on curbing the influx of migrants to Greece, saying reception centers had become "detention facilities", and suspended some activities in the country. The EU and Ankara struck a deal aiming to cut off the sea crossing from Turkey to the Greek islands that enabled 850,000 people to pour into Europe last year, many of them fleeing the brutal war in Syria. / AFP PHOTO / ANDREJ ISAKOVIC
Auch der Sprecher der Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF), Antonis Rigas, sagte im griechischen Fernsehen, viele Migranten seien mit den Nerven am Ende und hätten in den vergangenen Tagen Mitarbeiter humanitärer Organisationen bedroht. "Wir mussten unsere Mitarbeiter abziehen. Heute werden wir versuchen, wieder ins Camp zu gehen", so Rigas.

Autobahn-Blockade bei Idomeni

Mehrere Personen hätten in der Früh Zelte auf der Autobahn bei der Stadt Polykastro aufgestellt, berichtete das mazedonische Internetportal Lokalno.mk.

Die Flüchtlinge hatten die Autobahn bereits am Mittwochabend zeitweise besetzt. Seit der faktischen Schließung der Balkanroute, strandeten nicht nur tausende Schutzsuchende in dem provisorischen Flüchtlingscamp Idomeni, direkt an der griechisch-mazedonischen Grenze.

Ein Caritas-Helfer sagte der APA am Mittwoch, dass 50 bis 100 Flüchtlinge in Idomeni in den Hungerstreik getreten seien. Fast alle wollten nach Deutschland weiter. Er widersprach jedoch Medienberichten, wonach die Zahl der Flüchtlinge in Idomeni weiter steige.

Organisationen kündigen Mitarbeit auf

Reporter griechischer Medien haben beobachtet, dass sogenannte Aktivisten immer wieder den Migranten raten, Straßen zu blockieren, um die internationale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Es seien die gleichen Leute, die vor zwei Wochen die Migranten zu einem Überschreiten der Grenze zu Mazedonien über unwegsames Gelände bewegt hatten, hieß es.

Dem Beispiel des UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und der Organisation "Ärzte ohne Grenzen", die ihre Mitarbeit in griechischen Auffangzentren aus Protest gegen die EU-Türkei-Flüchtlings-Vereinbarungen aufgekündigt hatten, will der DRK nicht folgen. Seiters verwies der Zeitung zufolge vielmehr auf Zusagen der EU und der Türkei, das Völkerrecht uneingeschränkt zu wahren. Jeder Flüchtling habe Anspruch auf ein faires Asylverfahren und auf humanitäre Betreuung. Allerdings hält der frühere deutsche Bundesinnenminister die Vereinbarungen für nicht ausreichend. Es müsse endlich für eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge in den EU-Staaten gesorgt werden, forderte er.

Sturm in der Ägäis

Zum ersten Mal seit Monaten hat in den vergangenen 24 Stunden kein einziger Flüchtling von der türkischen Ägäisküste zu den griechischen Inseln übergesetzt. Dies teilte der griechische Stab für die Flüchtlingskrise am Donnerstag mit. Die Behörden zeigten sich überzeugt, dass die Ursache dafür ein schwerer Sturm in der Region war.

Insgesamt halten sich in Griechenland laut offiziellen Angaben vom Dienstag bereits über 52.000 Menschen auf, die eigentlich weiter nach Zentral- und Nordeuropa wollen. Mehr als 12.000 davon sind an der griechisch-mazedonischen Grenze, im provisorischen Flüchtlingscamp Idomeni gestrandet. Sie wollen nicht in besser ausgestatteten Lagern in Nordgriechenland untergebracht werden, weil sie befürchten, dass sie dort interniert werden könnten. Auf den Inseln der Ostägäis befinden sich 3.924 Migranten, teilte der Krisenstab mit.

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