Flüchtlinge in Slowenien: "Europa guter Platz"

Polizeigeleit für Flüchtlinge: Ein berittener slowenischer Polizist führt den Menschenstrom bei Dobova nahe der kroatischen Grenze an.
Tausende Flüchtlinge täglich, überfüllte Notquartiere. Jetzt soll auch die Armee helfen.

Die kroatisch-slowenische Grenze wird von einigen tausenden Menschen buchstäblich eingerannt. Und die Kommunikation zwischen Slowenien und Kroatien funktioniert nicht. „Die Kroaten transportieren die Flüchtlinge mit Zügen und Bussen zu verschiedenen Orten entlang der Grenze, ohne Vorankündigung und absichtlich zerstreut, deshalb müssen die slowenischen Behörden improvisieren“, sagt der Staatssekretär im slowenischen Innenministerium, Boštjan Šefic.

Das Aufnahmezentrum in Brežice ist überfüllt. Es wurde für 350 Menschen ausgelegt, heute befinden sich dort mehr als 3000 Flüchtlinge. Sie warten darauf, mit einem Bus zu einem anderen Lager oder nach Österreich transportiert zu werden. Trotz der schwierigen Situation verhalten sich die meisten Neuankömmlinge ruhig, aber von Zeit zu Zeit kommt es auch zu Schlägereien unter den Flüchtlingen. Die Polizisten sind zurückhaltend, zeigen aber auch Zeichen von Nervosität und Müdigkeit.

Regen und Kälte

Vor dem Aufnahmezentrum in Brežice wartet auch Schichab aus Latakia in Syrien. Er ist mit seiner Familie und Freunden, insgesamt zehn Menschen in der Gruppe, schon acht Tage auf dem Weg. Von Griechenland über Mazedonien, Serbien und Kroatien. „Das Wetter war schlecht, wir reisten zu Fuß, mit der Bahn und dem Bus, wir hatten nur wenige Möglichkeiten, uns auszuruhen“. Schichab erzählt auch, dass sie in Kroatien nicht gut behandelt worden seien, dass sie kein Essen oder Wasser bekamen. Sie seien nur durch das Staatsgebiet transportiert und nachts in einiger Entfernung von der Grenze abgesetzt worden. „Sie haben uns den Weg nach Slowenien gezeigt, aber die Grenze war nicht so nah, wie sie sagten. Es war kalt und es regnete. Wir brauchten acht Stunden bis zur Grenze, wir haben sie um vier Uhr morgens erreicht.“

Streit mit Nicht-Syrern

Um neun Uhr kamen sie zum Aufnahmezentrum in Brežice. „Hier gibt es nicht genug Platz, die Menschen sind nervös. Viele von ihnen denken, dass dies ein Gefängnis sei, und dass sie nicht weiter dürften“. Und viele der Flüchtlinge, sagt er, sind nicht aus Syrien, aber aus Afghanistan, Iran, Libanon, Irak. Weil sie alle ohne Dokumente reisen, behaupteten sie, dass sie Syrer sind. Eine Lüge, die häufig Streitereien mit echten Syrern auslöst.

In Dobova, nicht weit von der Grenze, ist inzwischen in einer ehemaligen Textilfabrik ein improvisiertes Aufnahmezentrum errichtet worden. Die erste Gruppe von mehreren hundert Menschen ist bereits dort, ruht sich auf dem Rasen in der Sonne aus. Viele Familien mit Kleinkindern sind darunter. Frauen wollen mit Journalisten nicht sprechen, die meisten verstehen keine Fremdsprache. Eine kleine Gruppe von Männern erzählt, dass sie aus Ahwaz im Iran kommen und dass sie nur vier Tage aus der Türkei bis zur slowenischen Grenze brauchten. Aber sie hatten die ganze Zeit nicht geschlafen. „Wir möchten so schnell wie möglich Deutschland erreichen. Dort leben mein Bruder und mein Onkel“, erzählt einer von ihnen, der von einer weiteren Reise nach England träumt. „Europa ist ein guter Ort, um dort zu leben, Iraner lieben vor allem England“. Er war im Iran im Ölgeschäft tätig, aber wegen seines christlichen Glaubens falle es ihm schwer, im Iran zu bleiben.

Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Slowenien und weiter nach Österreich wollen, nimmt nicht ab. Allein Montag sind rund 8000 Flüchtlinge in Slowenien angekommen, auch am Dienstag kamen bis zu Mittag mehr als 6000 neue ins Land. Die slowenische Regierung beschloss, dass die Armee zur Unterstützung der Polizei an der Grenze eingesetzt werden soll.

Die diplomatischen Bemühungen in der Syrien-Krise kommen zunehmend in Gang. Schon am Freitag könnte es in Wien zu einem Treffen zwischen US-Außenminister John Kerry und Russlands Chefdiplomaten Sergej Lawrow mit den Außenministern der Türkei, Saudi-Arabiens und Jordaniens kommen. Einen entsprechenden Bericht der Presse konnte die US-Botschaft in Wien auf KURIER-Anfrage aber nicht bestätigen. Klar ist, dass Außenminister Kurz schon bei der UN-Generalversammlung in New York den beiden einen solchen Gipfel angeboten hat.

Unterdessen verzeichnen in Syrien die Regierungsallianz aus Armee, libanesischer Schiitenmiliz Hisbollah und iranischen „Beratern“ mit russischer Luftunterstützung um Aleppo deutliche Geländegewinne. Die Einheiten rücken auf südliche und östliche Vorstädte der geteilten Stadt vor, erweitern aber zugleich ihre Territorien im Norden und Westen Aleppos.

Die schweren Gefechte im Umland haben bereits jetzt einen massiven Flüchtlingsstrom ausgelöst. Laut UNO-Koordinierungsstab für humanitäre Notlagen ( OCHA) sind Zehntausende Menschen aus dem Großraum Aleppo geflohen. Zwischenzeitlich seien sie nördlich der Stadt auf einem Gebiet untergekommen, das von Rebellen kontrolliert wird. Es fehle an Nahrung, medizinischer Versorgung und Unterkünften, so OCHA.

Humanitäre Hilfe ist in dieser Region, wo viele Rebellengruppen aktiv sind, besonders kompliziert. Es scheint also nur eine Frage der Zeit, bis die Vertriebenen in die Türkei weiterziehen.

Vor allem aber scheint die Offensive der Armee in ihrer Anfangsphase zu stecken. Derzeit geht es offenbar vor allem um die Sicherung des Umlandes sowie darum, die Belagerung einer syrischen Luftwaffenbasis durch den „Islamischen Staat“ östlich von Aleppo zu durchbrechen.

Sowohl Aleppo als auch die Rebellengebiete nördlich bis zur türkischen Grenze haben seit Kriegsbeginn zahllosen Menschen aus ganz Syrien als Zufluchtsort gedient.

Nur noch 500 Flüchtlinge seien derzeit in Zelten untergebracht, in Deutschland seien es 42.000. Österreich habe also viel geschafft, aber es sei dennoch zu wenig, erklärte Bundeskanzler Werner Faymann am Dienstag nach der Ministerratssitzung: „Wir müssen die Zahl bis zum Winter auf Null reduzieren.“

Der Regierungschef appellierte daher an jene Bundesländer, Quartiere zu schaffen, die die Quote nicht erfüllen. Rund 1700 Plätze seien seit Inkrafttreten des Durchgriffsrechts am 1. Oktober vom Bund in fünf Orten errichtet worden, erklärte Faymann: in Althofen und Ossiach (Kärnten), in Steyregg (Oberösterreich), Bergheim (Salzburg) und Leoben (Steiermark).

Mittels Durchgriffsrecht kann der Bund Asylwerber-Unterkünfte auch ohne Zustimmung der Regionalpolitiker realisieren.

ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ist „optimistisch“, dass es mithilfe des Durchgriffsrechts gelingen wird, genug Herbergen für Flüchtlinge zu finden. Er meint, dass „das Problem in den Wintermonaten gemildert werden kann“. Gehofft wird, dass in der kalten Jahreszeit weniger Asylwerber ankommen werden. Bis dato wurden heuer bereits rund 65.000 Flüchtlinge in Österreich registriert. Laut Innenministerin Johanna Mikl-Leitner werden bis Jahresende bis zu 85.000 Personen um Asyl ansuchen.

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