Iren und Tschechen sind heute dran

Ein Mann befestigt ein Schild mit der Aufschrift „Polling Station“ an einem Gebäude.
Nach den Niederlanden und Großbritannien wird heute unter anderem bei unseren Nachbarn gewählt.

Am zweiten Tag der Europawahl sind heute die Iren und Tschechen an der Reihe: In Irland öffneten die Wahllokale um 8.00 Uhr (MESZ), Tschechien folgt um 14.00 Uhr. Wegen der Verkleinerung des Europaparlaments von derzeit 766 auf künftig 751 Abgeordnete steht beiden Ländern dieses Mal jeweils ein Abgeordneter weniger zu als noch 2009.

Irland Irische Demoskopen rechnen mit einem starken Abschneiden der linksgerichteten Sinn-Fein-Partei des ehemaligen IRA-Mannes Gerry Adams. Die Iren, die europäische Abstimmungen schon häufiger zum Protest gegen die Regierungspolitik in Dublin nutzten, können bis 23.00 Uhr über ihre elf EU-Parlamentarier abstimmen. Zugleich finden in der Republik Kommunalwahlen statt. Erste Europawahl-Trends werden am Samstagvormittag erwartet.

Tschechien Die rund 8,4 Millionen Wahlberechtigten in Tschechien können am Freitagnachmittag von 14.00 bis 22.00 Uhr und am Samstag von 8.00 bis 14.00 Uhr über ihre 21 Europaabgeordneten entscheiden. Die Wahl gilt als Test für den neuen europafreundlichen Kurs der seit Jänner regierenden Mitte-Links-Koalition. Mit Spannung wird erwartet, ob die neue Bewegung ANO des Großunternehmers und Milliardärs Andrej Babis ihren Höhenflug fortsetzen wird. Letzte Umfragen sahen die Protestpartei als stärkste Kraft knapp vor ihrem Regierungspartner, den Sozialdemokraten (CSSD) von Ministerpräsident Bohuslav Sobotka. Ergebnisse soll es erst am Sonntagabend nach 23.00 Uhr geben.

Niederlande & Großbritannien Am Donnerstag machten die Niederlande und das Vereinigte Königreich den Anfang. Entgegen den Erwartungen blieb in den Niederlanden Exit-Polls zufolge ein Erfolg der rechtspopulistischen PVV (Partei für Freiheit) von Geert Wilders aus. Die ausländerfeindliche Partei, die im Europaparlament eine Zusammenarbeit mit der FPÖ anstrebt, büßte demnach sogar eines ihrer bisher vier Mandate ein und landete auf dem dritten Platz. Knapp stärkste Kraft wurde die europafreundliche liberale Partei Democraten 66 (D66) vor den Christdemokraten (CDA). Im linken Lager überholten die EU-kritischen Sozialisten (SP) erstmals bei einer landesweiten Wahl die Sozialdemokraten (PvdA).

Die europäischen Spitzenkandidaten

Angela Merkel im Gespräch mit einem Mann.

Luxembourg's Prime Minister Juncker kisses Germany
Martin Schulz gestikuliert bei einer Rede vor dem Hintergrund des PES-Logos.

ITALY PARTIES PES
Martin Schulz auf einer Veranstaltung mit Biergläsern im Vordergrund.

GERMANY PARTIES
Eine Frau steht vor dem Europäischen Parlament in Straßburg.

Ska Keller_European Green Party_ …
Ein älterer Mann mit Mütze raucht eine Pfeife.

Green Party European Parliament Deputy Jose Bove a
Ein Mann mit Brille gestikuliert in einem fast leeren Parlament.

FRANCE EU DIPLOMACY
Olli Rehn schüttelt jemandem die Hand vor einer applaudierenden Menschenmenge.

BELGIUM PARTIES ALDE MEETING
Alexis Tsipras lächelt bei einer Konferenz in die Ferne.

SPAIN GREECE POLITICS

Die Ergebnisse der Europawahlen vom 22. bis 25. Mai bilden die Grundlage für eine ganze Reihe an Entscheidungen in den kommenden Monaten. Auf Basis der Kräfteverhältnisse soll laut dem Lissabon-Vertrag über die Besetzung des EU-Kommissionspräsidenten entschieden werden.

- Zwei Tage nach dem Ende der Wahlen treffen sich am Dienstagabend, dem 27. Mai, in Brüssel die Staats- und Regierungschefs der EU zu einem informellen Abendessen. Dort wird neben der Ukraine-Krise vor allem die Frage besprochen, wer EU-Kommissionschef wird. Erwartet wird noch keine Entscheidung, sondern nur ein Sondieren der Lage. Großbritannien und Ungarn haben Widerstand gegen die vom Parlament vorgeschlagenen Spitzenkandidaten, den Konservativen Jean-Claude Juncker und den Sozialdemokraten Martin Schulz, angekündigt. Sie könnten aber mit einer qualifizierten Mehrheit überstimmt werden, Deutschlands Rolle gilt als entscheidend. Kanzlerin Angela Merkel hat ebenso wie EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy betont, dass nicht automatisch Juncker oder Schulz zum Zug kommen.

- Zwischen 5. und 17. Juni konstituieren sich die bestehenden Fraktionen für das neue EU-Parlament - dabei könnten sie zahlreiche Neuzugänge von bisher nicht im Parlament vertretenen Abgeordneten erhalten. Dazu gehört etwa die Partei M5S von Beppe Grillo in Italien, die laut Prognosen künftig 19 Sitze einnimmt und sich nach Spekulationen der Fraktion der Europäischen Linkspartei (GUE) anschließen könnte. Auch können sich neue Fraktionen bilden: Um als solche am 1. Juli in Straßburg ins neue Parlament einzuziehen, müssen zumindest 25 Abgeordnete aus sieben Staaten ihre Absicht bis zum 23. Juni bei der Parlamentsdirektion deponieren. Eine neue Rechtsfraktion bilden wollen etwa einige Parteien rund um die französische Front National, die niederländische PVV und die FPÖ.

- Einen Monat nach der Wahl, am 26. und 27. Juni, treffen sich die Staats- und Regierungschefs erneut in Brüssel zu einer formellen Sitzung des Europäischen Rates. Dabei könnte bereits die Entscheidung über den Vorschlag der Staaten für den Kommissionspräsidenten getroffen werden. Dieser wird dann an das Parlament übermittelt, dessen Zustimmung er braucht. Wahrscheinlich stellen die EU-Staats- und Regierungschefs die Weichen für eine Paketlösung: Bis Jahresende müssen nämlich auch die Posten des EU-Ratspräsidenten, der EU-Außenbeauftragten und des Parlamentschefs neu besetzt werden.

- Am 1. bis 3. Juli trifft sich das neu gewählte Europaparlament in Straßburg zu einer konstituierenden Sitzung. Dabei wählen die Abgeordneten einen Nachfolger für Schulz, den bisherigen Parlamentspräsidenten, sowie dessen Stellvertreter. Auch wird je nach Stärke der Fraktionen die Besetzung der Ausschüsse gewählt und deren Vorsitzende bestimmt. Besonderes Gedränge dürfte es dabei um einflussreiche Gremien wie den Wirtschafts- und Währungs- oder den Binnenmarktausschuss geben.

- In der Straßburger Plenarwoche des Parlaments vom 14. bis 17. Juli könnte, wenn bis dahin bereits der Vorschlag des Europäischen Rates vorliegt, bereits über den EU-Kommissionspräsidenten abgestimmt werden. Er braucht im EU-Parlament eine absolute Mehrheit von mindestens 376 der 751 Abgeordneten. Die europäischen Parteifamilien haben sich in einem Abkommen darauf geeinigt, den EU-Spitzenkandidaten der stärksten Fraktionen zum Kommissionschef zu wählen. Werden die vom Parlament vorgeschlagenen Kandidaten von den Mitgliedsstaaten in ihrem Vorschlag übergangen, haben die Europaabgeordneten Widerstand und eine Blockade angekündigt.

- Gelingt die Wahl des Kommissionspräsidenten im Juli, dann kann dieser über den Sommer bereits mit der Zusammenstellung seiner Kommission beginnen. Er muss sich dabei eng mit den Mitgliedsstaaten abstimmen, die jeder einen Kommissar stellen dürfen und ihre Wunschkandidaten bei ihm deponieren. Wer welchen Posten in der neuen EU-Kommission bekommt, liegt ausschließlich in der Zuständigkeit des neuen Kommissionschefs.

- Frühestens bei der ersten Plenarsitzung des Europaparlamentes nach der Sommerpause im September könnte das EU-Parlament über die neue EU-Kommission abstimmen. Zuvor müssen sich die Kommissarskandidaten in Anhörungen den Europaabgeordneten stellen. Dabei wurden in der Vergangenheit immer wieder Kandidaten abgelehnt. 2004 verhinderten die Abgeordneten etwa den Italiener Rocco Buttiglione, der wegen seiner erzkonservativen Ansichten unter Beschuss geraten war. 2009 scheiterte die bulgarische Ex-Außenministerin Rumjana Schelewa am Widerstand der Abgeordneten wegen Bedenken über ihre Kompetenz. Die Amtszeit der aktuellen Kommission von Jose Manuel Barroso läuft am 31. Oktober aus.

Kommentare