Europarat rügt schärfere Regeln für Flüchtlingshelfer in Ungarn

Viktor Orban
Venedig-Kommission: Bestimmung aus "Stop-Soros-Gesetz" sollte aufgehoben werden.

Zwei Tage nach Verabschiedung des umstrittenen "Stop-Soros-Gesetzes" durch das ungarische Parlament haben Experten des Europarats eine zentrale Bestimmung zur Arbeit von Flüchtlingshelfern gerügt. Die Bestimmung solle wieder aufgehoben werden, da sie die rechtmäßige Arbeit von Nichtregierungsorganisation "ernsthaft beeinträchtigt", teilte die Venedig-Kommission des Europarats am Freitag mit.

Durch die neue Bestimmung wird im ungarischen Strafgesetzbuch der Straftatbestand der "Beihilfe zur illegalen Migration" eingeführt, heißt es in dem Gutachten. Die Venedig-Kommission, der angesehene Verfassungsexperten angehören, räumte ein, dass auch viele andere europäische Länder eine "auf finanziellen Gewinn abzielende Beihilfe zu Einreise, Aufenthalt oder zur Durchreise illegaler Migranten" unter Strafe stellen. Ein derartiger Straftatbestand stehe also nicht zwangsläufig im Widerspruch zu internationalen Menschenrechtsnormen.

Es könne auch die Auffassung vertreten werden, dass er "dem legitimen Ziel der Aufrechterhaltung der Ordnung oder der Verhütung von Straftaten" laut Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention zur Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit diene, erklärten die Verfassungsexperten der Kommission.

 

Die ungarische Bestimmung gehe aber weit über das hinaus, was gemäß Artikel 11 zulässig sei, da sie "organisatorische Tätigkeiten, die nicht in direktem Zusammenhang mit der konkreten Realisierung illegaler Migration stehen, auf ungerechtfertigte Weise mit Strafe bewehrt". Zu diesen Tätigkeiten zählen demnach die "Erstellung oder Verbreitung von Informationsmaterial" oder "die Einleitung von Asylanträgen für Migrantinnen und Migranten".

Die Kriminalisierung derartiger Tätigkeiten unterbinde die Unterstützung von Opfern durch Nichtregierungsorganisationen und schränke deren in Artikel 11 und im Völkerrecht verankerten Rechte unverhältnismäßig ein, befand die Venedig-Kommission. Wenn zudem die Arbeit zur aktiven Unterstützung und die Kampagnentätigkeit kriminalisiert werden, sei dies ein unzulässiger Eingriff in die in Artikel 10 garantierte Freiheit der Meinungsäußerung.

Das ungarische Parlament hatte das schon vor Monaten angekündigte Gesetzespaket am Mittwoch, dem Weltflüchtlingstag, verabschiedet. Es sieht bis zu ein Jahr Haft für jeden vor, der einem illegal aus einem Nicht-Schengen-Land nach Ungarn eingereisten Migranten hilft, wenn dessen Leben nicht unmittelbar in Gefahr ist. Es wird unter Anspielung auf den ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros auch als "Stop-Soros-Gesetz" bezeichnet.

Die Regierung des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban betrachtet den als Mäzen aktiven Soros als Gegner. Dessen international tätige Stiftung unterstützt unter anderem mehrere Bürgerrechtsbewegungen in Ungarn. Orban warf Soros vor, über seine Organisation "Masseneinwanderung" in die EU zu steuern. Die "Open Society Foundation" wehrte sich am Freitag gegen die Vorwürfe und warf Orban vor, Unwahrheiten zu verbreiten.

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