EU-Vorsitz: Migrationsexperten sehen nur wenige Fortschritte

EU-Vorsitz: Migrationsexperten sehen nur wenige Fortschritte
"Im Großen und Ganzen sind wir nicht weiter als vor einem halben Jahr", sagt der Experte Matthias Lücke.

Zwar ist die österreichische EU-Ratspräsidentschaft erst in rund einem Monat zu Ende, der deutsche Migrationsexperte Matthias Lücke zieht jedoch schon jetzt ein eher kritisches Resümee in punkto Migration. "Eigentlich gibt es dieselben Herausforderungen wie vor einem halben Jahr", sagt der Forscher des Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW) im Gespräch mit der APA.

"Im Großen und Ganzen sind wir nicht weiter als vor einem halben Jahr. Die Herausforderungen bleiben, um das System, das wir haben, nachhaltig zu machen", erklärt Lücke, der auch die 2016 gestartete europäische Forschungsallianz Mercator Dialogue on Asylum and Migration (MEDAM) koordiniert. Das liege aber nicht nur am österreichischen EU-Vorsitz, sondern auch an allen anderen Staaten, die sich nicht weiterbewegt haben. "Von einer gemeinsamen europäischen Anstrengung habe ich nichts wahrgenommen", bemängelt Lücke.

Zumindest sei der "unmittelbare Druck" weniger, "weil weniger Menschen in Italien ankommen". Dafür sei aber auch der Druck auf Spanien gewachsen, auch die Situation in Griechenland sei schlecht. "Und wir haben weiterhin ungelöste Fragen im EU-Türkei-Abkommen", erinnert der Kieler Professor. Um den Druck, der auf Spanien lastet, zu lindern, plädiert Lücke für ein "von der EU organisiertes Aufnahmelager" - ähnlich wie bereits der österreichische Migrationsexperte Gerald Knaus im Sommer forderte. Solche Zentren könnten auch in anderen EU-Staaten - jedenfalls aber auf EU-Territorium und nicht in nordafrikanischen Staaten - errichtet werden. Von den von der Union angedachten "Ausschiffungs-bzw. Anlandeplattformen" in Nordafrika, auf deren Errichtung sich die EU-Staats- und Regierungschefs Ende Juni geeinigt hatten, hält Lücke nichts. Sie seien weder sinnvoll noch würden sie funktionieren.

"Möglichst ideologiefrei" Lösungen suchen

"Es ist klar, dass die Probleme schwierig sind", räumt der Experte ein. Deshalb wäre es gut, "gemeinsam nach Lösungen zu suchen, möglichst ideologiefrei". Denn: "Wenn wir Menschen nicht in Europa aufnehmen wollen, kommen wir als EU nicht umhin zu schauen, wo diese Menschen wirklich bleiben können und dann auch die schwächeren Staaten zu unterstützen." Europa brauche ein gemeinsames Asylsystem, "ansonsten kommen wir in einen Unterbietungswettbewerb, wo jeder versucht, möglichst schlecht zu sein gegenüber Asylsuchenden, damit diese möglichst wo anders hingehen - das kann für Europa aber nicht funktionieren."

Dass die österreichische Bundesregierung nun die Privatsektorförderung stärker in den Vordergrund rücken möchte - Stichwort Verbesserung der EU-Afrika-Beziehungen und EU-Afrika-Forum in Wien - sieht Lückes Kollege am Kieler Institut für Weltwirtschaft, Rainer Thiele, sehr positiv. Der Privatsektor sei für Afrika äußerst wichtig. "Die Entwicklungszusammenarbeit kann vielleicht ein bisschen was bewirken, aber die Hauptlast wird der Privatsektor tragen müssen." Die Förderung des Privatsektors und die EZA müssten Hand in Hand gehen, "verzahnt" werden, so Thiele.

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